Der Föderalismus in Österreich sei schuld daran, dass die Regierung beim Corona-Management strauchelt. Diesen Satz hört man dieser Tage häufig. Tatsächlich geben Bund und Länder nach einer Woche groß inszenierter Gipfeltreffen mit maximalen Miniergebnissen zum Oster-Lockdown kein besonders fittes Bild ab. Die Präsidentin des Rechnungshofes, Margit Kraker, formulierte ihre Kritik so: "Bei den Gesprächen zwischen Bund und Ländern ist festzustellen, dass sich unser System sehr viel leichter tut, nicht zu entscheiden, als in Zeiten der Pandemie eine klare und nachvollziehbare Linie vorzugeben."

Und es ist nicht das erste Mal, dass das System stottert: Zu Beginn der Pandemie rang der Bund wochenlang darum, valide Zahlen zur tatsächlichen Belegung der Spitäler in den Ländern zu bekommen. Oder der Streit, wer denn nun zuständig sei für die Beschaffung von Laptops für Schüler im Distance-Learning: der Bund? Die Länder?

Gesundheitsminister Rudolf Anschober könnte, wenn die Notwendigkeit dazu besteht, regionale und lokale Quarantänemaßnahmen verfügen.
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Ist also der Föderalismus das falsche System? Ist nicht, gerade in einer Pandemie, der Zentralismus das viel bessere System, um die Verwaltung eines Landes zu organisieren? So einfach ist es nicht. So ist das zentralistische Frankreich bei der Durchimpfungsrate nicht wesentlich weiter als Österreich oder Deutschland. Umgekehrt hat sich hierzulande die Entscheidung, die Testungen in die Hände der Länder zu legen, bewährt.

Stolperstein

Nicht "der Föderalismus" versagt in wichtigen Bereichen. Es ist vielmehr die Art, wie er in Österreich gelebt wird, die in dieser Krise schon oft zum Stolperstein wurde. Österreichs Verfassung gibt den Ländern weit weniger Macht, als sie, in jahrzehntelang gelebter Realverfassung, tatsächlich haben. Ein Beispiel: Gesundheitsminister Rudolf Anschober könnte qua Funktion problemlos regionale und lokale Quarantänemaßnahmen verfügen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht – die Betonung liegt hier auf dem Konjunktiv. Realpolitisch hat Anschober dies, nach tagelangem Gezerre, erst einmal getan, als in Tirol die Südafrika-Mutation des Coronavirus wütete; er verhängte eine Ausreisebeschränkung über den Bezirk Schwaz. Der Effekt: große Empörung in Tirol, Drohungen gen Wien – und ein Gesundheitsminister, der den jüngsten, ergebnislosen Bund-Länder-Gipfel mit dem Argument schönredete, er brauche eben eine "breite Zustimmung" für verschärfte Maßnahmen in der Pandemie-Bekämpfung.

Seit einem Jahr spielen Bund und Länder Pandemie-Pingpong, mit dem Ergebnis, dass vieles zu langsam geht – gerade in einer Krise, in der es auf Geschwindigkeit ankommt. Die Länder rufen: "Wir brauchen klarere Vorgaben der Bundesregierung!" Bekommen sie die, bekämpfen sie sie. Der Bund verordnet: "Die Länder sollen das Impfen organisieren!" – und versucht so seine Versäumnisse bei der Impfstoffbeschaffung zu verschleiern.

Auch der Blick ins noch viel stärker föderale Deutschland, das gerade eine Bauchlandung in Sachen "Osterruhe" hingelegt hat, zeigt: Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern muss neu aufgesetzt werden. Kompetenzen müssen künftig klarer sein, wechselseitiges "blame game" für den kurzfristigen taktischen Triumph muss einer neuen Verantwortungskultur weichen. Entscheidungen sollen schneller fallen, und sie müssen konsequent umgesetzt werden. Das erwarten Bürgerinnen und Bürger. Am Ende sitzen in einer Pandemie alle im selben Boot. Und dieses sollte besser nicht untergehen. (Petra Stuiber, 27.3.2021)