Wien brauche zwar weiterhin Betriebsbaugebiete. Doch wenn Liegenschaftseigentümer mit einer "zwingenden Idee" kommen, sind in den rosaroten Zonen gewerbliche Mischgebiete möglich, sagt Planungsdirektor Madreiter.

Foto: MA18/Christian Fürthner

STANDARD: Das Fachkonzept "Produktive Stadt" wurde 2017 erdacht. Wie kam es dazu?

Madreiter: Wir analysieren alle paar Jahre gemeinsam mit Wirtschaftsagentur und Wirtschaftskammer, ob das Angebot an Betriebsflächen in Wien mit der Nachfrage matcht. 2017 haben wir die Flächen erstmals in drei Kategorien eingeteilt: integrierte Einzelstandorte, das sind meist kleinere Flächen, die prüfen wir im Einzelfall, wenn eine Änderung in Diskussion ist; eine "rote Zone", die jedenfalls für betriebliche Nutzung vorbehalten ist. Jedem Wohnbauträger, der sich neu dort einkauft, muss bewusst sein, dass die Stadt hier auch langfristig Gewerbe haben möchte. Und dann gibt’s die "rosa Zone", gewerbliche Mischgebiete. Das sind derzeit meist ebenfalls als Betriebsbau- oder Industriegebiet gewidmete Flächen, aber in prinzipiell mischungsverträglichen Situationen. Wenn das gewerblich genutzt bleibt, haben wir kein Problem damit. Wenn aber ein Liegenschaftseigentümer an so einem Standort mit einer zwingenden Idee für ein Mischprojekt aus Wohnen und Produktion, eben eine "Produktive Stadt", zu uns kommt, dann reden wir darüber. Und wenn das ein echt gutes Projekt ist, dann sind wir auch bereit, umzuwidmen.

STANDARD: Was heißt "echt gut" in diesem Zusammenhang?

Madreiter: Dass es einen Mehrwert im betrieblichen Sinne bieten muss. Grundgedanke war, die Ertragskraft des Wohnbaus zu nutzen, um mischungsverträgliche Gewerbeformen zu aktivieren und so Flächen, die derzeit oft leer stehen, mit Entwicklungen in einer Mischkalkulation aus Betrieb und Wohnen in Nutzung zu bringen. Weil das auch dem Ziel der durchmischten Stadt dient.

STANDARD: Sehr häufig ist das aber nun eben noch nicht passiert. In der Pilzgasse geht es demnächst los, ein Projekt in der Lavaterstraße befindet sich in der Konzeptionsphase ...

Madreiter: Es gibt zugegebenermaßen wenige Projekte, die derzeit in Entwicklung sind. Das sind einigen Leuten zu wenige. Wir sehen das nicht so. Auch der Liegenschaftsmarkt hat eine Reaktionszeit. Und vergessen wir nicht: Eigentlich brauchen wir in Wien Betriebsbaugebiete. Und es ist ja nicht unser Ziel, die rosa Zonen großflächig für Wohnbau zu nutzen. Aber ja, wir werden das Konzept evaluieren. Weil es natürlich nicht sehr sinnvoll ist, wenn wir jetzt zwar eine rosa Zone haben, aber dort nur wenige Mischprojekte stattfinden. Wir werden Feinjustierungen vornehmen, weil ich mir da für die Zukunft größere Quantitäten wünsche.

STANDARD: Knackpunkt scheint das Zusammenspiel mit der Widmungskategorie "Geförderter Wohnbau" zu sein. Für die "Produktive Stadt" wurde zwar eine Ausnahme geschaffen. Aber manche Entwickler sagen: Wir können nicht Betriebe UND geförderten Wohnbau wirtschaftlich darstellen.

Madreiter: Das ist ein prinzipiell zulässiges Argument, das sich aber mit den Spielregeln für die Widmungskategorie "Geförderter Wohnbau" lösen lässt. Wenn wirklich eine substanziell auch im öffentlichen Interesse gelegene, hochwertige produktive Nutzung realisiert wird, dann bin ich persönlich der Ansicht, dass der Liegenschaftseigentümer seinen Beitrag geleistet hat. Damit wir in so einer Situation dem Gemeinderat eine Widmungsänderung vorschlagen können, brauchen wir aber eine Verbindlichkeit für die Umsetzung der beabsichtigten gewerblichen Nutzung. Ich will niemandem etwas unterstellen, aber ein attraktives Mischprojekt ist schnell aufgezeichnet. Und naiv sein ist in unserem Job nicht gut. Es wäre ja durchaus vorstellbar, dass man in Renderings eine perfekte Welt simuliert, dann passiert jahrelang außer dem Wohnbauteil nichts, und dann wird argumentiert, dass der Standort doch die gewerbliche Nutzung nicht trägt. Wir wollen jedenfalls auch in den rosa Zonen keine schleichende Umnutzung in vorrangige Wohngebiete. Somit bleibt die Zone entweder Betriebsbaugebiet, was nichts Schlechtes ist, oder ein attraktives Mischprojekt lässt erwarten, dass die betrieblichen Flächen, die man dort produziert, auch eine Nachfrage finden können. Aber das ist durch weitergehende Sicherheiten zu unterlegen.

STANDARD: Etwa Vorverträge mit gewerblichen Mietern?

Madreiter: Wir wollen das einmal gar nicht einengen. Aber es muss etwas sein, das uns eine hinreichende Sicherheit bietet, dass die intendierte Mischnutzung auch in der Realität in der angebotenen Qualität umgesetzt wird. Das Wichtigste für uns ist aber, dass die rote Zone jetzt einmal preisdämpfend wirkt. Und wir bekommen Signale, dass das auch funktioniert. Die in der Vergangenheit oft kleinteiligen Umwidmungen von Betriebsbaugebieten in Richtung Wohnen wurden nämlich damals vom Liegenschaftsmarkt rasch eingepreist und haben damit gewerblich-produktive Nutzungen noch stärker unter Druck gebracht. Die rosa Zone hingegen soll zusätzlich die Tür für kreative Mischprojekte aufmachen. (Martin Putschögl, 28.3.2021)