Rainhard Fendrich muss nicht tatenlos zusehen, wie Anti-Corona-Demonstranten sein Lied missbrauchen.

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Vor kurzem äußerte Rainhard Fendrich seinen Unmut über die sinnentfremdende Nutzung seines Hits I am from Austria im Rahmen der Demonstrationen gegen die Coronavirus-Maßnahmen. Gleichzeitig meinte er jedoch resignierend, es stünde nicht in seiner Macht, dies zu verhindern. Doch die Rechtslage ist nicht so eindeutig.

Bei Musikstücken handelt es sich um urheberrechtlich geschützte Werke. Wer fremde Musikwerke öffentlich wiedergeben will, benötigt daher eine entsprechende Erlaubnis der Urheber. Die meisten Urheber sind Mitglieder von Verwertungsgesellschaften – für Musikwerke wäre das in Österreich die AKM und in Deutschland die GEMA.

Diese übernehmen die Lizenzierung und müssen die Nutzung diskriminierungsfrei erlauben. Sprich: Wer anfragt und das tarifmäßige Lizenzentgelt bezahlt, dem ist die öffentliche Wiedergabe des Liedes auch zu erlauben. Doch ist damit schon das letzte Wort gesprochen? Mitnichten.

Denn die Verwertungsgesellschaften können rechtlich nur so viel, wie ihnen die beigetretenen Urheber erlauben – und die entsprechenden Wahrnehmungsverträge umfassen zumindest im Fall der AKM oder der GEMA keine Urheberpersönlichkeitsrechte. Wer also ein Lied von der AKM oder GEMA lizenziert, darf dieses zwar öffentlich wiedergeben, jedoch nicht in einer Weise, welche die Persönlichkeitsrechte der Urheber verletzt.

Urheberpersönlichkeitsrechte schützen die Interessen der Urheber an ihren Werken und erlauben es ihnen insbesondere, sich gegen die Entstellung ihrer Werke zur Wehr zu setzen. Das gilt auch, wenn das Umfeld der Werknutzung nicht mit dem Grundcharakter des Werkes oder den geistigen Interessen des Urhebers zu vereinbaren ist.

Erfolg gegen die NPD

Ein Beispiel: 2014 spielte die deutsche NPD im Rahmen ihrer Wahlkampfveranstaltungen direkt nach der Rede des Landesvorsitzenden Lieder der Musikgruppe Die Höhner. Die NPD hatte die Rechte zur öffentlichen Wiedergabe von der GEMA lizenziert. Die Höhner, die sich öffentlich gegen die politischen Ziele der NPD ausgesprochen hatten, sahen ihre Urheberpersönlichkeitsrechte verletzt, klagten und gewannen.

Für den BGH war dabei entscheidend, dass die Lieder nicht bloß zur Überbrückung einer Wartezeit genutzt wurden, sondern dramaturgisch in die Wahlkampfveranstaltung integriert waren.

Den Umstand, dass die NPD für die Nutzung der Lieder Gebühren an die GEMA entrichtet hatte, ließ der BGH nicht gelten: Von der Rechteübertragung durch den Urheber an die GEMA seien lediglich die üblichen und voraussehbaren Formen der öffentlichen Wiedergabe umfasst, zu denen die Verwendung im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien gerade nicht gehöre.

Hier stellt der BGH also ganz allgemein auf die Verwendung der musikalischen Werke im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien ab. Diese Rechtsprechung des BGH ist auch für Österreich verwertbar, da österreichisches und deutsches Urheberrecht einander gleichen.

Neuralgische Momente

Auch die Anti-Corona-Demos sind von einer bestimmten weltanschaulichen Einstellung getragen. Wenn aber die Nutzung von Liedern für politische Wahlkampfveranstaltungen untersagt werden kann, dann wohl auch für Anti-Corona-Demos. Politische Demonstrationen sind mit Wahlkampfveranstaltungen vergleichbar.

Voraussetzung dafür wird lediglich sein, dass ein Lied nicht bloß "einmal nebenbei" abgespielt, sondern bewusst als integrierter Teil der Demonstration eingesetzt wird. Das wird aber schon durch das wiederholte Abspielen desselben Lieds oder dessen Nutzung zu besonders neuralgischen Momenten – etwa vor einer Rede – gegeben sein.

Dabei wird es auch keinen Unterschied machen, ob die Veranstalter selbst oder die Demonstrationsteilnehmer das Lied abspielen. Während im ersten Fall die Rechtslage klar ist, wäre im zweiten Fall eine Haftung der Veranstalter als Beitragstäter mit guten Gründen denkbar – vor allem wenn sie nach Wiedergabe des Liedes weiteres Abspielen bei derselben Demonstration oder bei Folgedemonstrationen nicht unterbinden.

Künstler wie Fendrich müssen sich der Nutzung ihrer Lieder für Anti-Corona-Demos nicht beugen. Es gibt rechtliche Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. (Sascha Jung, 29.3.2021)