Der im Kirchenchor groß gewordene Josiah Wise alias Serpentwithfeet bedient sich an Gospel und barocken Harmonien, um in seinem eklektischen R ’n’ B die eigene Identität als schwuler, schwarzer Mann zu thematisieren.

Foto: Braylen Dion

Einige der Songs tragen echte Vornamen wie Malik oder Amir, die Personen dahinter sind aber Produkte der Imagination von Josiah Wise alias Serpentwithfeet. (Traum-)Männer, die nur in der Fantasie des aus Baltimore stammenden R-’n’-B-Musikers existieren. An den warmherzigen Amir tastet sich Wise vorsichtig heran. Ob er wohl am Freitag Zeit für ein Date habe, ob er lieber Rosé oder Bier trinke? Auf Malik wirft Serpentwithfeet im Club ein Auge – und er auf ihn: "And his eye ain’t on the sparrow (‘Cuz his eye is on me)" beschreibt Wise den Blickkontakt mit Referenz auf den großen Gospelklassiker His Eye Is on the Sparrow. Maliks Hosen sind irgendwie "corny", aber trotzdem sieht sich Wise schon mit ihm, seinem "future king", am Esstisch bei den Eltern sitzen.

serpentwithfeet

Serpentwithfeets 2018 erschienenes Album Soil war dem gebrochenen Herzen verpflichtet, Deacon strahlt nun in der Hoffnung auf reziproke Liebe. In jeder Zeile erträumt Wise Zärtlichkeit, Intimität und vor allem Normalität: einfach eine ganz klassische, vielleicht sogar bisschen fade Zweierbeziehung – das wär doch was.

Schwul, schwarz, verschmust

Der vorsichtige Optimismus spiegelt sich auch in der Instrumentierung von Deacon wider. Spielte Serpentwithfeet früher noch mit eckigen, kalten Sounds, sind nun Wärme und Linearität in die Produktion eingekehrt. Nun sind seine Songs keine Experimente in der alternativen Nische mehr, sondern könnten – zumindest teilweise – den Stempel Popballade tragen. Britische Neo-Soul-Menschen wie die Kritikerlieblinge Sampha oder Nao hatten da auch ihre Finger mit im Spiel.

Was Serpentwithfeet immer schon ausgezeichnet hat, sind seine an Gospel geschulte Gesangstechnik und Liebe zu barocken Harmonien. In einem christlichen Haushalt aufgewachsen, war Wise bereits als kleines Kind im Kirchenchor zugange und wollte später eine Karriere als Opernsänger anstreben, woraus allerdings nichts wurde.

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Seit seiner ersten Single 2014 steht seine Identität als homosexueller, schwarzer Mann im Zentrum seines Werks. Eine Schlüsselnummer, Same Size Shoes, befindet sich auch auf Deacon: Hier erzählt Wise davon, endlich einen Freund mit derselben Schuhgröße gefunden zu haben. Natürlich geht’s nicht um Füße, sondern darum, mit jemandem zusammen zu sein, mit dem man die gleichen Minderheitenerfahrungen teilt. "Boy, you got my trust ‘cause I’m like you", singt Wise genauso sanft, wie er auf dem Albumcover einen anderen Mann umarmt. Deacon ist in erster Linie als Album für die queere, schwarze Community gedacht. In zweiter Linie ist es eines für alle, die sich zu lieben trauen wollen. (Amira Ben Saoud, 29.3.2021)