Das globale Treibhausgasbudget erinnert an einen unvorsichtigen Tauchgang: Jeder hat eine Flasche komprimierter Luft auf dem Rücken, die Sportler verbrauchen unterschiedlich viel davon. Einigen geht schon nach kurzer Zeit die Luft aus, bei anderen dauert es länger. Rasches Auftauchen geht sich nicht aus, die Gruppe wagte sich zu weit in die Tiefe. Ein Taucher, dessen Tank leer ist, kann nur von einem Kollegen Luft nehmen. Irgendwann wird auch dessen Tank leer sein – und alle sterben.

Mit den bisherigen Klimaversprechen der Staaten ist das 1,5-Grad-Ziel kaum erreichbar.
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Ganz so schnell wird es im Klima nicht so dramatisch, die Metapher ist aber nicht völlig fehl am Platz. Mehr und stärkere Hitzewellen; eine Zunahme an Überflutungen; ein steigender Meeresspiegel; das Aussterben vieler Tier- und Insektenarten. Die Folgen der Erderwärmung klingen dystopisch, sind aber aller Voraussicht nach nicht mehr abzuwenden. Die gelisteten Phänomene gelten aus Sicht der Wissenschaft als sehr wahrscheinlich, sollte sich die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um 1,5 Grad Celsius erhitzen.

Ziel kaum mehr erreichbar

Die schlechte Nachricht: Das 1,5-Grad-Ziel dürfte kaum mehr erreichbar sein. Viel wahrscheinlicher ist eine Erhitzung von zwei Grad. Dann dürften sich die obengenannten Folgen potenzieren. Klar ist, dass weltweit nur mehr ein Treibhausgasbudget – also verbleibende Luft im Tank – von rund 660 Milliarden Tonnen CO2 übrig ist, um noch deutlich unter dem Zwei-Grad-Ziel zu landen.

Mitte März fand im Wien zum ersten Mal seit Monaten wieder eine Demonstration für mehr Klimaschutz statt.
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Um den Schaden abzuwenden, haben sich beinahe alle Länder im Rahmen des Pariser Klimaabkommens geeinigt, die Erderwärmung einzudämmen. Auch die Europäische Union hat den Deal unterschrieben und die Verpflichtung auf die Mitgliedsstaaten aufgeteilt. Brüssel wurde mittlerweile klar, dass die bisherigen Pläne nicht ausreichen werden, die EU will die Ziele daher anheben. Bisher musste Österreich seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 36 Prozent reduzieren. Das neue Ziel soll in den kommenden Monaten kommuniziert werden. Forscher des Grazer Wegener-Centers haben bereits berechnet, wie hoch die Summe sein dürfte: Laut Schätzungen der Wissenschafter muss Österreich seine Emissionen bis Ende des Jahrzehnts zwischen 48 und 52 Prozent reduzieren.

Politik ohne Klimafahrplan

Wie der Weg dorthin aussehen muss, soll die Novelle des Klimaschutzgesetzes regeln. Dieses hätte eigentlich mit Ende Dezember fertig sein sollen, Österreich ist derzeit quasi ohne Klimafahrplan unterwegs. Allerdings wurde am Freitag mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und Neos ein Antrag zum Klimavolksbegehren beschlossen, der unter anderem festlegt, dass ein Paris-konformer Reduktionspfad gesetzlich verankert wird. Wie zu vernehmen ist, soll das auch im Klimaschutzgesetz stehen.

In dem Antrag wurde die Höhe des verbleibenden Treibhausgasbudgets nicht genannt. Zahlen dazu gibt es aber sehr wohl. Der Klimaökonom Karl Steiniger von der Universität Graz hat mit seinem Team berechnet, wie viel das Land noch emittieren darf. Die Rechnung wurde simpel gehalten: Wird das weltweit verbleibende Treibhausgasbudget durch die Bewohner der Erde dividiert, kommt auf Österreich ab 2021 für das Deutlich-unter-zwei-Grad-Ziel ein verbleibendes Budget von 700 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Die Berechnung erfolgte "ohne historische Schuld", erklärt Steininger. Dass Österreich in der Vergangenheit bereits viel mehr emittiert hat als viele andere Staaten der Welt, wurde also nicht berücksichtigt.

Zukauf von Zertifikaten

Beim derzeitigen Ausstoß von rund 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr würde das verfügbare Budget für knapp neun Jahre genügen. Reichen muss es allerdings bis zum Jahr 2040, wenn Österreich klimaneutral sein soll. "Wenn wir mit dem Budget nicht auskommen, dann müssten wir uns von woanders etwas holen", erklärt Ökonom Steininger. Wie der eingangs erwähnte Taucher müsste sich die Republik durch den Zukauf von Emissionszertifikaten aus dem Ausland Spielraum schaffen.

Doch auch diese Option ist limitiert – und wird tendenziell teurer. Und wenn der Tank leer ist? "Dann werden wir noch stärkere Klimaveränderungen erleben", sagt der Experte. "Dann machen wir mit unserem Planeten ein gefährliches Experiment, das es in der Geschichte der Menschheit so noch nie gab." (Nora Laufer, 29.3.2021)