Ob Vjosa Osmani kosovarische Präsidentin bleibt, ist derzeit offen. Bei der Abstimmung im Parlament, die diese Woche stattfinden soll, ist die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten nötig.

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Mit der neuen kosovarischen Regierung der Partei Vetëvendosje (VV) kommen auch erstmals mehr Frauen im jüngsten Staat Europas an die Macht. Im Kabinett von Albin Kurti sitzen sieben Frauen. Eine der wichtigsten Positionen wird von der Deutsch-Kosovarin Donika Gërvalla-Schwarz eingenommen: die Führung des Außenministeriums. Gërvalla-Schwarz war jahrzehntelang eine wichtige Vertreterin der Partei LDK, hat aber ebenso wie die amtierende Präsidentin Vjosa Osmani vor einiger Zeit aus Protest diese Fraktion verlassen.

Im Gespräch mit dem STANDARD sagte sie vor der Wahl im Februar, dass die neue Ära "nichts weniger bedeutet, als dass wir uns unsere Unabhängigkeit ein zweites Mal erkämpfen". Dieses Mal gehe es um die Unabhängigkeit von kriminellen und korrupten Strukturen, die das Land so lange als Geisel gehalten hätten. "Kriminelle Strukturen haben unmittelbar nach dem Krieg, mit Gewalt und auch Mord, unser Land unter Kontrolle gebracht, als die Menschen sich noch nicht einmal von den schweren Folgen der serbischen Aggression erholt hatten. Nun erwarten wir, dass unsere internationalen Freunde nicht länger mit kriminellen Strukturen kokettieren und den Rechtsstaat tatsächlich und aktiv unterstützen."

Präsidentschaftswahl

Besonders wichtig findet sie es, faire Wettbewerbsbedingungen für die Ehrlichen und die Fleißigen herzustellen. "Wenn die Korruption hier nicht länger alles blockiert, erwarte ich ein kleines Wirtschaftswunder", sagte Gërvalla-Schwarz zum STANDARD. Die neue Regierung setzt auch auf die Diaspora, aber nicht nur auf deren Auslandsüberweisungen, sondern auch auf Investitionen von wohlhabenden Auslands-Kosovaren.

Die wichtigste und populärste kosovarische Politikerin, Vjosa Osmani, möchte diese Woche auch formell vom Parlament als Staatspräsidentin gewählt werden – sie nahm diese Position interimsmäßig ab November des Vorjahres nach dem Rücktritt von Hashim Thaçi ein. Allerdings ist noch unklar, ob die anderen Parteien zulassen werden, dass Osmani das Amt behält. Denn bei der Abstimmung im Parlament braucht es die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten, damit die Wahl gültig ist. Die anderen Parteien können also das Verfahren durch Parlamentsboykott blockieren. Die Oppositionsparteien haben dies bereits angekündigt. Nun drohen sogar neuerliche Parlamentswahlen.

Kaum jemand geimpft

Dabei steht der Kosovo vor allem in der Pandemie vor riesigen Herausforderungen, denn es sind noch kaum Bürger geimpft worden. Premierminister Albin Kurti, der die Wahlen am 14. Februar haushoch gewann und dessen Partei VV 58 der 120 Sitze im Parlament einnimmt, steht unter enormem Erfolgsdruck. Immer wieder setzt er auf panalbanischen Nationalismus. So forderte er jüngst die Albaner in der Diaspora auf, am Zensus in Nordmazedonien teilzunehmen, also dem Nachbarstaat – was eigentlich nicht die Angelegenheit eines kosovarischen Politikers sein sollte.

Doch Kurti mischt sich nicht nur in Nordmazedonien ein, sondern macht dem albanischen Premier Edi Rama, der sich schon seit vielen Jahren als Albaner-Führer in der Region inszeniert, nun ernsthaft Konkurrenz. Nach wie vor tritt Kurti auch für einen Zusammenschluss von Kosovo und Albanien ein, was nicht nur laut der kosovarischen Verfassung, sondern auch durch den Ahtisaari-Plan, die Grundlage der Verfassung, die den Kosovo-Serben Sonderrechte gewährt, untersagt ist. Die Idee ist abgesehen von ihrem völkisch-nationalistischen Grundgedanken aber auch brandgefährlich. Denn ein Eintreten für neue Grenzziehungen – noch dazu nach ethnischen Kriterien – auf dem Balkan stärkt unweigerlich andere völkische Nationalisten, etwa in Bosnien-Herzegowina, die schon seit Jahrzehnten den Staat zerstören wollen.

Darstellung als Albaner-Führer

Rama und Kurti sind sehr unterschiedliche Politiker. Der mitunter autoritär auftretende, polternde Macho Rama ist ein Machtmensch, Kurti ist hingegen ein Linker, der gerne theoretisiert und nichts gegen starke Frauen hat. Doch beide setzen auf die nationalistisch-albanische Karte. Kurtis VV hat im Nachbarland Büros eröffnet und unterstützt Parlamentarier, die gegen die regierenden Sozialisten von Rama bei den Wahlen in Albanien am 25. April antreten. Kurti selbst kündigte an, auch in Albanien seine Stimme abzugeben, weil er auch einen albanischen Pass besitzt. (Adelheid Wölfl, 29.3.2021)