Igor Matovič verzichtet auf das Amt des Regierungschefs.

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Ein Premierminister tritt zurück – und verhindert damit Neuwahlen. Was für Außenstehende paradox klingen mag, passt nur allzu gut zur inneren Logik der schweren Regierungskrise, die die Slowakei nun wochenlang erschüttert hat.

Am Sonntagabend gab Premier Igor Matovič schließlich nach und verzichtete auf das Amt des Regierungschefs. Im Kabinett wird er voraussichtlich weiterhin vertreten sein, und zwar als Finanzminister. Der zuletzt immer wahrscheinlicher gewordene Bruch der Vier-Parteien-Koalition wurde damit offenbar vorerst abgewendet.

Finanzminister Eduard Heger soll mit Matovič Platz tauschen.
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Matovič, Chef der konservativ-populistischen Partei Oľano (Einfache Leute und unabhängige Persönlichkeiten), war schwer unter Druck seiner Koalitionspartner geraten, nachdem er im Februar zwei Millionen Dosen des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V bestellt hatte. Nur einen Tag vorher nämlich hatte seine eigene Regierung beschlossen, genau das nicht zu tun.

Ärger über Alleingang

Der spektakuläre Alleingang des Premiers hatte vor allem bei der neoliberalen SaS (Freiheit und Solidarität) sowie bei der liberalen Partei Za ľudí (Für die Menschen) für Entrüstung gesorgt.

Innerhalb der Koalition hielten sich lediglich die Rechtspopulisten von Sme rodina (Wir sind Familie) mit allzu lauter Kritik zurück, doch das toxische Klima in der Regierung sorgte mittlerweile auch bei ihnen zunehmend für Nervosität.

Dass Sputnik V von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA noch keine EU-weite Zulassung hat und die Anschaffung des Impfstoffs durch einzelne europäische Länder immer auch vor einem geopolitischen Hintergrund diskutiert wird, war längst nicht der einzige Grund für die harschen Reaktionen der Regierungspartner. Vielmehr sahen sich dort einige in ihrer Einschätzung bestätigt, dass mit Matovič eben kein Staat zu machen sei.

Unberechenbar und streitsüchtig

Matovič gilt als unberechenbar und streitsüchtig, auch in seiner früheren Rolle als Oppositionspolitiker hatte er sich immer wieder auch mit Verbündeten überworfen. Kritiker warfen ihm zudem aktionistische, aber letztlich wenig effektive Schritte in der Corona-Bekämpfung vor. Bereits Anfang März hatte SaS-Chef Richard Sulík, der damalige Wirtschaftsminister, Matovič zum Rücktritt aufgefordert.

Dieser knüpfte seinen Rückzug an diverse Bedingungen. Vor allem dass er einen anderen Kabinettsposten für sich beanspruchte, stieß in der Koalition zunächst auf Widerstand. Ein Ultimatum jagte das andere, innerhalb weniger Tage traten sechs Regierungsmitglieder zurück – neben Sulík unter anderem die Justizministerin, der Gesundheitsminister und der Außenminister.

Kitt für die Koalition

Allerdings gab es im rechten Regierungslager immer wieder auch lautstarke Appelle, keinesfalls Neuwahlen zu riskieren. Das Land steht immer noch im Zeichen der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak vor drei Jahren. Matovič hatte die Wahl im Februar 2020 vor allem mit seinem Antikorruptionswahlkampf gegen die zuvor regierenden Linkspopulisten gewonnen.

Am Sonntag wurde der Druck auf ihn, die Koalition durch seinen eigenen Abgang doch noch zu retten, zu groß. Matovič kündigte seinen Rücktritt an, als Premier soll ihm der bisherige Finanzminister, sein Parteikollege Eduard Heger, nachfolgen. Er selbst will dafür Hegers Platz einnehmen. Aus den Koalitionsparteien kamen überwiegend positive Reaktionen auf das Manöver. Heger teilte nach einem Treffen mit Staatspräsidentin Zuzana Čaputová am Montag mit, dass er von dieser mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt werde.

Čaputová ist es auch, die den Wechsel an der Regierungsspitze noch formell absegnen und anschließend ein neues Kabinett vereidigen muss. Dass darin auch der umstrittene Igor Matovič vertreten sein soll, gilt manchen – trotz der aktuellen Erleichterung – aber bereits als mögliche Keimzelle einer neuen Krise. (Gerald Schubert, 29.3.2021)