Die Ortschaft Palma liegt in der gasreichen Provinz Cabo Delgado.

Foto: AFP / John Wessels

La Defense / Maputo – Mehrere Tage nach einem großangelegten Angriff von Jihadisten auf die Küstenstadt Palma im Nordosten Mosambiks ist tausenden Menschen die Flucht in die Provinzhauptstadt Pemba gelungen. Bis zu 10.000 Menschen warteten noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden, hieß es am Montag aus Kreisen internationaler Hilfsorganisationen. Nach Angaben der Regierung von Mosambik wurden bei dem jihadistischen Angriff dutzende Zivilisten getötet.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) steckt nach eigenen Angaben hinter der Attacke. In einem am Montag verbreiteten Bekennerschreiben heißt es: "Kämpfer des IS haben die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Palma übernommen und mehr als 55 mosambikanische Sicherheitskräfte getötet." Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Jihadisten hatten am Mittwoch das in der Grenzregion zu Tansania gelegene Palma überfallen. Nach zweitägigen Gefechten übernahmen sie am Freitagabend die Kontrolle über die 75.000-Einwohner-Stadt. Regierungssprecher Omar Saranga sagte am Sonntag, die "Terroristen" hätten "Dutzende hilflose Menschen feige ermordet". Mindestens sieben Menschen seien am Freitag umgebracht worden, als sie versucht hätten, aus einem Hotel in Palma zu flüchten.

Öl, Gas und Extremismus

Hinter der Tat verbirgt sich eine Terrorgruppe, die in der Region schon seit Jahren für Unruhe sorgt und sich formell dem radikalen Islamismus verschrieben hat. In der Umgangssprache in Cabo Delgado wird sie manchmal als Al Shabaab bezeichnet, mit der gleichnamigen somalischen Extremistenmiliz hat sie aber wenig zu tun.

Offiziell hat sie vielmehr der Terrormiliz "Islamischer Staat" die Treue geschworen. Ihre Taten lassen aber vor allem auch an irdisch-materielle Ziele denken. Mit Schmuggel, Erpressung, Wilderei, Bergbau und Rodungen soll die Gruppe mittlerweile Millionen an Dollar verdienen. Vielleicht auch deshalb genießt sie, wie mehrere NGOs zuletzt berichteten, trotz ihrer Brutalität weiter Zulauf durch junge benachteiligte Männer aus der Bevölkerung.

Zulauf bekommt sie auch deshalb, weil sie sich gegen die Ausbeutung der üppigen Öl- und Gasvorräte in der Region wendet, die eigentlich als großes Heilsversprechen für Mosambiks Wirtschaft gelten, deren Segnungen in der lokalen Bevölkerung aber nicht ankommen. Sie wurde vielmehr in den vergangenen Jahren immer weiter von traditionellen Anbaugründen vertrieben.

Auch Gasarbeiter evakuiert

In den vergangenen drei Tagen hätten Sicherheitskräfte der Regierung sich um die Rettung von hunderten Zivilisten bemüht, darunter Einheimische und Ausländer, sagte der Regierungssprecher. Einige Menschen seien vorübergehend auf das schwer bewachte Gelände eines Gasförderprojekts auf der Halbinsel Afungi gebracht worden, bevor sie schließlich in die 250 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Pemba gebracht wurden.

Auf einem Gelände in unmittelbarer Nähe von Palma bauen unter anderen der französische Ölriese Total und der US-Konzern Exxon Mobil ein Milliardenprojekt zur Erschließung von Flüssigerdgas auf. Unter den in Sicherheit gebrachten Menschen waren auch ausländische Beschäftigte des Projekts.

Nur scheinbar beruhigt

Ein erstes Schiff mit 1.400 Geretteten war nach Angaben der Polizei am Sonntag in Pemba eingetroffen. An Bord waren vor allem Arbeiter, darunter auch Beschäftigte von Total. Noch am Sonntagnachmittag erreichte ein weiteres Schiff mit Geretteten Pemba. Weitere Gerettete hatten sich mit kleinen Booten auf den Weg nach Pemba gemacht. Ihre Ankunft war für Montag erwartet worden.

Nach Angaben von Flughafenmitarbeitern in Pemba wurden humanitäre Hilfsflüge ausgesetzt, um Platz für Militäraktionen zu machen. Geplant war auch ein Dringlichkeitstreffen von UN-Vertretern in Pemba, um die Evakuierung sowie die humanitäre Hilfe für die neu ankommenden Flüchtlinge zu koordinieren. In Pemba leben bereits hunderttausende Binnenvertriebene, die vor der islamistischen Gewalt in der Provinz Cabo Delgado geflüchtet sind.

Das Verteidigungsministerium von Mosambik erklärte am Sonntagabend, die Sicherheitskräfte hätten ihre "Einsatzstrategie verstärkt, um die kriminellen Angriffe von Terroristen einzudämmen und die Normalität in Palma wiederherzustellen". Der Militäreinsatz in Palma habe sich in den vergangenen drei Tagen darauf konzentriert, "hunderte Zivilisten zu retten".

Neues Erdgasprojekt

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte zuvor mitgeteilt, Zeugen in Palma hätten von auf der Straße liegenden Leichen berichtet sowie von jihadistischen Kämpfern, die wahllos auf Menschen und Gebäude geschossen hätten.

Nach einer Reihe von Militärinterventionen hatte sich die Lage in den vergangenen Monaten beruhigt. Erst am Tag der Überfalls hatte Total die Wiederaufnahme der Bauarbeiten für das Erdgasprojekt angekündigt, die aufgrund der unsicheren Lage seit Jahresbeginn ruhten. Nach den bisherigen Plänen sollte die Anlage 2024 ihren Betrieb aufnehmen. (APA, mesc, 29.3.2021)