"Radio Stimme" gibt es seit 23 Jahren.

Foto: Screenshot/radiostimme.at

Wien – Seit 30 Jahren tritt die Initiative Minderheiten für eine minderheitengerechte Gesellschaft ein. Seit 23 Jahren kommt "Radio Stimme" dabei eine wichtige Bedeutung zu: Ein ehrenamtliches Redaktionskollektiv versucht, politisches Radio zu machen und Themen zu behandeln, die im medialen Alltag sonst zu kurz kommen. Seit fünf Jahren ist Melanie Konrad Teil des Teams. "Wir machen Radio für alle. Aber unter Rahmenbedingungen, die in kommerziellen Medien unmöglich wären", sagt sie.

Das geplante neue Medien-Digitalförderungsgesetz trage der Sondersituation und Bedeutung der Freien Radios nicht Rechnung, kritisiert Konrad im Gespräch mit der APA. "Wir machen gemeinnützige Medienarbeit und erfüllen ganz zentral einen Bildungsauftrag. Man kann uns nicht mit profitorientierten Medienunternehmen in einen Topf werfen." Dort seien Themen abseits des Mainstreams weiter unterrepräsentiert, und auch in den Chefbüros ändere sich nur wenig: "Die sind weiterhin weiß und männlich dominiert." Deswegen habe es etwa in der Corona-Pandemie seitens der Regierung lange gedauert, bis man erkannt habe, dass man nicht alle in Österreich lebenden Menschen mit Informationen auf Deutsch erreiche.

"Handgemachtes Radio"

In der zehnköpfigen Radio-Stimme-Redaktion gibt es aktuell Redakteurinnen und Redakteure mit Wurzeln u.a. in Aserbaidschan, im Iran und im BKS-Raum. "Eigentlich stehen wir für eine Diversität, die sehr österreichisch ist", findet Konrad. Und es gibt eine starke Fluktuation. Weswegen auch ständig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht werden. Der entsprechende Aufruf überrascht ein wenig: "Wichtig ist uns politisches Interesse und Freude am Tun. Alles, was Du zum Radiomachen brauchst, lernst Du dann bei uns." Melanie Konrad, selbst Politikwissenschafterin und derzeit am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft mit ihrer Doktorarbeit über Alexander Kluge und Walter Benjamin befasst, lacht: "Als ich bei 'Radio Stimme' angefangen habe, konnte ich auch nichts. Radio Orange 94.0 bietet aber einen sehr guten Grundkurs. Es interessieren sich viele Menschen fürs Radiomachen. Und wir sind ja nicht Ö1. Es geht doch genau darum, dass es handgemachtes Radio ist." Handgemachtes und beim Radiopreis der Erwachsenenbildung auch schon mehrfach ausgezeichnetes Radio mit explizit politischem Inhalt.

"Die Sendung will zum Nachdenken über gesellschaftliche Dominanz- und Machtverhältnisse anregen und sich mit Beziehungen von Mehrheiten und Minderheiten auseinandersetzen. Radio Stimme tritt gegen Diskriminierung und gegen soziale Ungleichheit auf und setzt sich für Gleichberechtigung, Solidarität und Nachhaltigkeit ein", heißt es in einem programmatischen Statement. Einmal pro Woche trifft sich das Kollektiv zum Plenum, darüber hinaus gibt es Quartalsplanungen. "Radiomachen ist relativ planungsintensiv." Auch, wenn bloß zwei Einstunden-Sendungen pro Monat produziert werden.

Verschiedene Sender

Ausgespielt werden diese Sendungen über verschiedene Kanäle. So wird Radio Stimme jeden ersten und dritten Dienstag im Monat von 20 bis 21 Uhr auf Orange 94.0 live ausgestrahlt. Fixe Sendeplätze hat man in weiteren freien Radiosendern u.a. in Innsbruck, Salzburg, Linz und Graz (Liste auf https://www.radiostimme.at/sendeplaetze/), dazu können Podcasts abonniert werden und stehen sämtliche Ausgaben seit 2003 im digitalen Audioarchiv zum Download und als Stream zur Verfügung. "In unserem Büro liegen außerdem noch Tonbänder aus der Zeit davor", schmunzelt die Redakteurin. "Obwohl wir relativ jung sind, haben wir schon einige Medienwechsel mitgemacht." Derzeit versucht man auch über Facebook und Instagram Hörerinnen und Hörer zu erreichen.

Im Archiv von "Radio Stimme" findet man Dutzende Sendungen, die Melanie Konrad mitgestaltet oder moderiert hat. Welche davon hält sie für besonders gelungen oder exemplarisch? Viele fallen ihr ein. "Schiffbruch der Menschenrechte" beschäftigte sich etwa mit Seenotrettungen und NGOs, die sich für Flüchtlinge einsetzen, die den Seeweg wählen, "My body my rules! – Frauen*fußball, Feminismus und der Vatikan" brachte 2019 eine brisante Mischung aus Sport, Religion und Politik, "Das Fremde vor der Haustür" beleuchtete die Ethnomusikologie von Minderheiten. Die damals mitwirkende Musikethnologin und Wittgensteinpreisträgerin Ursula Hemetek wird auch in der nächsten Sendung von Radio Stimme am 6. April zu Wort kommen. Sie ist ganz dem Internationalen Tag der Roma gewidmet. (APA, 29.3.2021)