Martina Czerny-Franz ist Ärztin, außerordentliche Universitätsprofessorin und sie strengt sich außerordentlich an, wenn es um eine alltagstaugliche Prophylaxe gegen das Coronavirus geht. Das Ergebnis passt in ein Fläschchen, heißt "Baba Virus", zwischen dem "Baba" und dem "Virus" finden wir auf einem Infozettel vor der Praxis ein nettes Emoji. Das schafft auf der einen Seite Vertrauen, auf der anderen Seite wirkt derlei billiger, als es ist. In dem Fluidum ist nicht weniger verpackt als das "Wissen von klassischer Schulmedizin, TCM - Traditionelle Chinesische Medizin und Biophysikalischer Medizin". Für das Beste aus den vielen Welten kniet sich Czerny-Franz ordentlich hinein, das Mittelchen wird in "zahlreichen spezifischen und arbeitsaufwendigen Arbeitsschritten" von der Ärztin im Labor selbst hergestellt.

Ein Schnäppchen

45 Euro für 30 Milliliter in der Tropfflasche sind da nicht zu viel verlangt. Eine Anfrage zu allfälligen Wirkstoffen und zur Technologie der Herstellung wird von Czerny-Franz nicht beantwortet. Vermutlich deswegen, weil die als "Nahrungsergänzungsmittel" bezeichneten Tropfen sonst jeder nachmachen könnte. Eine schriftliche Anfrage unter anderem Namen, wo man die "Prophylaxe gegen Covid-19" denn bekomme, beantwortet die Medizinerin indes umgehend. Die Tröpfchen seien ausschließlich in ihrer Praxis zu beziehen, teilt sie mir per E-Mail mit. Der Weg in die Praxis zur Probe aufs Exempel ist mir dann zu mühsam. Ich gehe aber davon aus, dass die Ärztin mich spätestens dort aufgeklärt hätte, dass die selbstgefertigten Frequenzwässerchen als "Prophylaxe gegen Covid-19" ähnlich wirksam sind wie kleine rote Luftballons, die man im Keller aufbläst.   

Mit dem Zusatz "Nahrungsergänzungsmittel" ist die Ärztin fein heraus

Gleich zwei Mal finden wir im Header des "Baba Virus"-Infozettels den Hinweis "Nahrungsergänzungsmittel". Das wundert uns zunächst etwas ob des facettenreichen fachlichen Inputs und der aufwendigen Herstellung der Tropfen im Labor der habilitierten Medizinerin. Wäre hier nicht "Medikament" ein passenderer Terminus, schließlich geht es um eine keck in den Raum gestellte Virenabwehr? Aber vermutlich nimmt der Hinweis "Nahrungsergänzungsmittel" einfach ein wenig den Druck weg, der auf innovativen Geistern lastet, die bahnbrechende Medizinen gegen den vermaledeiten Virus entwickeln, sich aber nicht den bürokratischen Mühen in den Ebenen der Arzneimittelzulassung aussetzen wollen, vor allem jetzt, wo alles so schnell gehen muss. 

Mit Wasser gegen das Coronavirus. So einfach geht's.
Foto: EPA/JAIPAL SINGH
"Selbständig hergestelltes Wasser" gab es bis Februar. Mittlerweile wurde "Baba Virus" verfeinert.
Foto: privat

Im Februar lasen wir noch von "selbständig hergestelltem Wasser"

Der Flyer mit der Werbung  für die wunderbaren Tropfen ist nicht ganz neu. Der Passus mit den Hinweisen auf ein "Nahrungsergänzungsmittel" und die wissenschaftlichen Hintergründen wurde offenbar auf einen älteren Flyer aufgeklebt. Einst hat sich darunter der Hinweis auf ein sehr ähnliches Mittelchen befunden. Auf dem nun verdeckten Teil des Flyers las man einst: "Wasser, das von mir selbst hergestellt wurde, um vor Virusinfektionen zu schützen - auch vor Covid-19." Das Wasser wäre demnach "durch vielseitige spezielle Frequenzspektren transformiert" worden. Diese Schwingungen würden "die Virusvermehrung hemmen." Das Labor der Ärztin in ihrer "Oase der Gesundheit" spielt scheinbar alle Stücke.   

Von "Wasser" zu reden war gestern: es geht um eine Produktneuentwicklung

Am 26. Februar des Jahres berichtet die "Kronen Zeitung" über ein "Spezial Wasser gegen Virus - Aufregung um Ärztin." Kurz danach verschwand das Plakat. Natürlich ist es nur Spekulation, dass die Ärztekammer der Universitätsprofessorin ob des "Heilwassers" die Leviten gelesen hat und ein kundiger Rechtsanwalt der Ärztin empfohlen hat, fortan eine rechtlich halbwegs belastbare Formulierung rund um ein unverfängliches und unverbindliches "Nahrungsergänzungsmittel" zu verwenden.

Viel wahrscheinlicher ist es, dass Czerny-Franz in Sachen Virusforschung nicht geschlafen hat und die Flüssigkeit in den 30 Milliliter Flacons fortan und lege artis mit ihrer geballten Labor-Power und dem Wissen um "klassische Schulmedizin, Traditionelle Chinesische Medizin und Biophysikalische Medizin" frequenzmäßig sauber auflädt und befüllt.

Damit ist alles im grünen Bereich, in Österreich, in Zeiten einer Pandemie, rund um eine Universitätsprofessorin und Ärztin und die Virusforschung im Lande. Fast kein schaler Geschmack bleibt da zurück, was die Ausbildung von Ärzten, wissenschaftliche Karrieren und Standesethos betrifft. (Christian Kreil, 1.4.2021)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".

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