Harvard-Professor Martin Nowak wurde nachträglich für die Gastfreundschaft, die er Jeffrey Epstein an seiner Universität offerierte, von dieser bestraft, aber nicht gekündigt.

Peter Illetschko

Der 2019 verstorbene Investmentbanker und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein hatte, obwohl er selbst keinen Universitätsabschluss hatte, erstaunlich viele Kontakte in die Elite der US-Wissenschaftswelt. Doch nach seiner ersten rechtskräftigen Verurteilung 2008 wegen des Missbrauchs minderjähriger Mädchen gingen viele wissenschaftliche Institutionen und Forscher, die von Epsteins Millionen profitiert hatten, auf Distanz zu dem umstrittenen Mäzen.

Millionen für die Uni

Bei der Harvard University fiel die Distanzierung halbherziger aus: Anders als andere Spendenempfänger rang man sich nicht dazu durch, die insgesamt geflossenen 9,1 Millionen Dollar zurückzugeben oder zu spenden. Der aus Österreich stammende Biomathematiker Martin A. Nowak war dabei jener Harvard-Forscher, der finanziell am meisten von der Freundschaft zu Epstein profitiert hatte. Und diese Verbindung auch noch nach 2008 sollte Nowak nun zwar nicht den Job kosten, aber doch zu einer unangenehmen Sanktionierung führen.

Zur Harvard University hatte Jeffrey Epstein besonders enge Verbindungen. Auch Epsteins ehemaliger Rechtsberater Alan Dershowitz ist Professor an der Elite-Uni.

Bereits Anfang der Nullerjahre hatte Epstein eine Spende von 30 Millionen Dollar angekündigt, mit der er das neue, von Nowak geleitete Programm für Biomathematik und evolutionäre Dynamik an der Harvard University unterstützen wollte. Tatsächlich sollten es zwar "nur" 6,5 Millionen Dollar werden. Dennoch half das Versprechen, dass der international renommierte Nowak 2003 vom Institute for Advanced Study in Princeton nach Harvard wechselte.

Verurteilung und Rehabilitation

Das geschah alles noch bevor die Sexualstraftaten des erfolgreichen Investmentbankers ruchbar wurden und dieser 2008 zu einer – allerdings skandalös milden – Haftstrafe verurteilt wurde. Nach dem Absitzen seiner nur 13-monatigen Strafe wurde Epstein von einigen Wissenschaftern bei seiner Rehabilitierung direkt oder indirekt geholfen. Martin Nowak war einer von ihnen, und an der Harvard University der wichtigste.

Doch 2019 wurde Epstein dann erneut angeklagt. Im zweiten Verfahren lautete der Vorwurf, einen Sexhandelsring mit Mädchen ab einem Alter von 14 Jahren betrieben zu haben. Kurz nach seiner Inhaftierung wurde er tot in seiner Zelle im Metropolitan Correctional Center in New York gefunden.

Die Aufarbeitung von Epsteins Verbrechen und Kontakten kam nach dessen Tod im August 2019 aber nicht zum Erliegen und dauert bis heute an. Auch an der Harvard University wurden die hauseigenen Epstein-Kontakte ab September 2019 genauer untersucht. Der Uni-Präsident Lawrence Bacow sagte damals, er bedauere Harvards vergangene Verbindungen mit Epstein zutiefst, dessen Verbrechen "widerwärtig und verwerflich" gewesen seien.

Bericht über Besuche und ein Büro

Ein im Mai 2020 von der Eliteuni abgeschlossener Bericht über Epsteins Verbindungen zur Uni bestätigte, dass Nowak seinem Gönner, der ab 2009 als Sexualstraftäter registriert war, ab 2010 Zugang zur Universität ermöglicht hatte. Es sei bis 2018 zu etwa 40 Besuchen des Mäzens gekommen – angeblich auch in Begleitung junger Frauen. Nowak habe Epstein zudem ein Büro zur Verfügung gestellt. Dazu gab er dem Mäzen die Chance, sich auf der Website des Instituts selbst darzustellen und auf die eigene Homepage zu verlinken. Erst der Protest einiger Epstein-Opfer 2014 beendete diesen Freundschaftsdienst, und die Webeinträge wurden entfernt, wie DER STANDARD berichtete.

Nach Veröffentlichung des Berichts im Mai 2020 wurde Nowak beurlaubt, um zu klären, ob er mit den dokumentierten Aktivitäten gegen die Compliance-Regelungen der Universität verstoßen hatte. Zehn Monate später wurden diese Untersuchungen nun abgeschlossen und Ende letzter Woche die Konsequenzen gezogen, wie die unieigenen Medien "Harvard Crimson" und "Harvard Magazine" berichten.

Claudine Gay, die Dekanin der zuständigen Fakultät, gab bekannt, dass es tatsächlich Verstöße von Nowak gegeben habe. Und "in den Fällen, in denen seine Handlungen nicht per se Verstöße gegen die Richtlinien darstellten, zeigten diese Handlungen dennoch ein Muster von tadelnswerter Nachlässigkeit und unprofessionellem Verhalten in seinem Verantwortungsbereich".

Konsequenzen aus den Untersuchungen

Die Hauptfolgen sind, dass der Harvard-Professor mindestens zwei Jahre lang keine Studierenden bei ihren Abschlussarbeiten betreuen und keine eigenen neuen Forschungsprojekte beginnen darf. Nowak wird also vor allem Studienanfänger zu unterrichten haben. Außerdem wird Nowaks Programm für evolutionäre Dynamik geschlossen, sobald dies möglich sei, gab Gay bekannt. Nowaks Forschungen werden dem Department für Mathematik eingegliedert.

Nach zwei Jahren soll dann darüber befunden werden, ob Nowak neue Forschungsprojekte und Betreuungstätigkeiten wieder aufnehmen darf. (Klaus Taschwer, 29.3.2021)