Im Finanzministerium trudelten unter ÖVP-Ministern zahlreiche Jobwünsche ein. Auch der jetzige Minister, Gernot Blümel, war einst eingebunden

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Postenbesetzungen für ÖVP-Politiker, Freunde und Verwandte waren im türkisen Finanzministerium offenbar Chefsache. Das zeigen Chats, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgewertet wurden. In gleich mehreren Fällen wurde Thomas Schmid, damals Kabinettschef und Generalsekretär, mit Jobwünschen befasst.

So meldete sich im Herbst 2016 der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling bei Schmid: "Wir brauchen einen Job für Gabi Tamandl. Fällt Dir etwas ein?" Tamandl war zu diesem Zeitpunkt Nationalratsabgeordnete; bei der nächsten Wahl sollte sie aber kein Mandat mehr erhalten. "Was kann die?", fragte Schmid. In der Folge entwickelte er einige Ideen: "Eines wäre bei einer Tochter der Post. (...) Oder im BMF – Zollkoordinierung."

"Rausschmeißen" für Ex-Abgeordnete

Die Jobsuche für Tamandl zog sich allerdings. Im Mai 2017 urgierte Schelling erneut bei Schmid: "Wir brauchen für Gabi Tamandl einen Job." Sein Kabinettschef Schmid überlegte dann, den Chef einer Behörde "rauszuschmeißen". Auch bei den Sozialversicherungen würden "gerade Jobs ausgeschrieben". Allerdings schien kein Angebot zu passen.

Nun schalteten sich andere Abgeordnete ein. Wirtschaftssprecher Peter Haubner (ÖVP) schrieb Schmid: "Hallo Thomas – ich habe gestern noch einmal mit Gust Wöginger wegen Gabi Tamandl gesprochen – wie mit dir besprochen wird sie sich mit dir jetzt zB Konsulententätigkeiten in Verbindung setzen." "Ja klar", antwortete Schmid, der sofort dem neuen Minister Hartwig Löger schreibt: "Haubner bat mich für Tamandl einen Job zu finden – Konsulentin für 1000 Euro im BMF Budget Abteilung wäre ok für sie." "Betreffend Tamandl feel free – ich kann es nicht wirklich einschätzen. LG Hartwig", so Löger. Auch mit dem damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel vereinbarte Schmid einen Rückruf "wegen Tamandl".

Wöginger: "Was ist der Stand?"

Wieder ein halbes Jahr später intervenierte dann Klubobmann Wöginger persönlich: "Hallo Thomas, entschuldige bitte die Störung, aber was ist der Stand bezüglich Konsulenten-Vertrag für Gaby Tamandl? Sie hat sich bei mir wieder gemeldet." Mittlerweile befasst sich auch ein Sektionschef mit der Jobsuche für die ehemalige Abgeordnete – schlussendlich wurde es aber nichts, auch weil Tamandl mittlerweile eine Stelle in der Privatwirtschaft gefunden hatte.

Was sagt Tamandl dazu? "Nachdem ich ab 2013 bis zu meinem Ausscheiden aus dem Parlament im November 2017 Obfrau des Budgetausschusses war, wollte ich für die geplante Haushaltsrechtsreform meine Expertise anbieten – die Reform ist nicht erfolgt, und daher wurden meine Dienste nicht in Anspruch genommen", erklärt die Ex-Abgeordnete auf Anfrage des STANDARD. Schelling sagt, dass sich Tamandl "meines Wissens nie im BMF beworben" habe, sondern mitteilte, "dass sie in ihrer Steuerberatungskanzlei aufhört und auch ihr Mandat nicht weiter ausüben wird. Aufgrund ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende im Parlament gab es laufende Kontakte."

Sohn eines guten Freundes

Interventionsversuche gab es auch aus Schellings engstem familiärem Umfeld. Eine nahe Verwandte schrieb ihm etwa, ob er für den "Sohn eines guten Freundes (...) was machen kannst dass er den Job bekommt". Der Minister leitete die Nachricht im Sommer 2016 an seinen Kabinettschef und Generalsekretär Schmid weiter: "Hallo Thomas Kannst Du Dich bitte der Sache annehmen." Der replizierte: "Es wird was werden in Steyr. Problem war, er hatte in Linz Hearing und ist nicht gut angekommen."

Tiroler Verhältnisse

Auch ein Familienmitglied eines langjährigen Abteilungsleiters in der Tiroler Landesregierung brachte man ins Finanzministerium. Dafür eingesetzt hatte sich der ehemalige Landeshauptmann und Landtagspräsident Herwig van Staa. "Intervention von van Staa ist erledigt", schrieb Schmid im Juli 2017 an Schelling. Die betroffene Person "wird am 1.8. ihren Dienst bei uns antreten." Sowohl van Staa als auch der Beamte bestätigen das auf Nachfrage. Beide sehen darin aber nichts Verwerfliches, wie sie betonen. Der Beamte gibt an, seine Verwandte habe sich um die Stelle als Sachbearbeiterin beworben. Es habe ein Hearing mit mehreren Bewerbern gegeben. Und er habe den damaligen Tiroler Landtagspräsidenten van Staa, dessen direkter Mitarbeiter er über Jahre war, um Hilfe gebeten.

Warum das nun Thema werde, verstehe er nicht: "Es ging schließlich nicht um eine Top-Karriere, sondern sie kam frisch von der Uni und bewarb sich für die Sachbearbeiterinnen-Stelle." Das sei "eine harmlose Geschichte", so der Hofrat, "wie sie in Österreich oft passiert". Er ordne das unter "kleinere österreichische Gewohnheiten" ein: "Es war ein Telefonat, in dem ich meinen unmittelbaren Chef um Hilfe bat." Auch van Staa versteht nicht, wieso man ihm diesen Gefallen nun negativ auslege. Er könne sich gut vorstellen, dass er beim Minister angerufen habe oder ihm geschrieben habe, um für das Familienmitglied des Beamten "ein gutes Wort" einzulegen. Das sei "überhaupt nicht problematisch" und er habe ein "reines Gewissen". Derlei Gefallen seien schließlich nichts Ungewöhnliches.

"Zu van Staa kann ich nichts sagen, ich weiß nicht einmal ob er bei mir interveniert hat oder das im Zuge eines Besuches in Tirol bei einem meiner Mitarbeiter erfolgt ist", erklärte Schelling auf STANDARD-Anfrage. Beim Wunsch seines Familienmitglieds habe er sich "sicher nicht in den Entscheidungsprozess des örtlichen FA eingebracht". Er wisse "auch nicht, ob es je zu einer Entscheidung gekommen ist".

Job für Juraczka gesucht

Auf Postensuche war im März 2018 offenbar auch der einstige Obmann der Wiener ÖVP, Manfred Juraczka. "Kannst du mir bitte die Nummer von Juraczka geben. Wegen Job!", schrieb Schmid an den damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel, Juraczkas Nachfolger bei der ÖVP Wien. "Wir rufen ihn an um herauszufinden was er kann", schrieb Schmid. Blümel übermittelte die Nummer und bat: "Danke! Bitte sei lieb zu ihm :-)".

Auch bei Juraczka wurde man nicht fündig: Er landete ein halbes Jahr nach diesen Chats als Geschäftsführer bei der Fontana SportverwaltungsgmbH – die zu einem Großteil dem Industriellen Sigi Wolf gehört. Und der war wenig später als Chef des Öbag-Aufsichtsrats im Gespräch, wie aus anderen Chatprotokollen hervorgeht. Ist so etwas normal im Finanzministerium? Schelling: "Zum Grundsätzlichen: In einem Ministerium treffen laufend Bewerbungen ein. Üblicherweise werden diese ohne Kommentare an die einzelnen Stellen weitergeleitet. Das ist ein völlig normaler Vorgang. Manchmal kommen auch Empfehlungsschreiben dazu." Eingemischt habe er sich in Besetzungen nie. (Fabian Schmid, Steffen Arora, 29.3.2021)