Schwimmbad-Atmosphäre als Kunstinstallation: "Idylle, blau" der Wiener Künstlerin Julia Haugeneder.

Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / WEST.Fotostudio

Schlechte Zeiten für passionierte Schwimmer, die nicht über den Luxus eines eigenen Pools verfügen: Öffentliche Badeanstalten sind seit Monaten geschlossen, da wird für manche sogar der impertinente Chlorgeruch, der einem dort so verlässlich in die Nase steigt, zum Sehnsuchtsfaktor. Auf olfaktorische Reminiszenzen verzichtet Julia Haugeneder allerdings, optisch erinnert in ihrer ersten Einzelausstellung in der Innsbrucker Galerie Thoman dafür so einiges an ein Hallenbad. Was in erster Linie mit dem handelsüblichen, blauen rutschhemmenden Boden zu tun hat, den die Künstlerin im Ausstellungsraum verlegt hat.

Als Vorhang in den Raum gehängte, gummiartige Bahnen erinnern wiederum an die PVC-Lamellen, die in Schwimmbädern Innen- und Außenbecken trennen. Kommt noch das transparente Plexiglas-Mobiliar hinzu, das Haugeneder für die als raumgreifende Installation angelegte Schau mit dem Titel Idylle, blau entworfen hat und auf dem sie ihre Faltobjekte präsentiert, als wären sie für den Landgang bereitgelegte Badetücher.

Fest statt flauschig

Die pastellfarbenen, vermeintlichen Wäschestücke entpuppen sich bei näherer Betrachtung allerdings als fest statt flauschig und wirken mit ihren ledrig-glatten Oberflächen eher wie Plastikplanen, die zu handlichen Päckchen gefaltet wurden und dabei nichts als sich selbst umhüllen, manchmal aber trotzdem so tun, als würden sie noch etwas anderes verbergen. Was auch an der Luftpolsterfolie liegen könnte, mit der Haugeneder manche ihrer Objekte voluminös ausstopft.

Verpackungsmaterialien, stabilisierende Putzgitter, die an den Oberflächen ihren gerasterten Fußabdruck hinterlassen, diverse Bodenbeläge kommen hier zum Einsatz, die Basis von Haugeneders Arbeiten bildet aber ein Gemisch aus Leim, Gips und Pigment, das die 1987 in Wien geborene Künstlerin flächig ausgießt, um die so entstehenden dünnen Häute schließlich zu formen und zu falten.

Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / West Fotostudio

Über die Druckgrafik, mit der sich die Damisch-Schülerin zunächst beschäftigt hat, ist sie mit Buchbinderleim in Berührung gekommen, er wurde schließlich zum Grundstoff für skulpturale Arbeiten. Faszinierend, welche Möglichkeiten sie diesem Material entlockt – und was für ein Eigenleben die rätselhaften Faltobjekte entwickeln können, wenn man ihnen den nötigen assoziativen Rahmen angedeihen lässt.

Nach Hause schwimmen

Im Fall von Idylle, blau beeinflusst der rutschfeste Plastikboden tatsächlich auch die Art, wie man sich im Raum bewegt, Wandobjekte tun derweil so, als wären sie Handtuchhalter, an denen ausnahmsweise geknotete statt gefaltete Gebilde hängen. Einzig der Pool selbst fehlt in diesem Szenario, eintauchen kann man dafür in ein von Ulrich Meurer geschriebenes Hörstück, in dem von Gedächtnisräumen und übers Mittelmeer irrenden Gummibooten genauso die Rede ist wie von John Cheevers Kurzgeschichte Der Schwimmer, die 1968 mit Burt Lancaster verfilmt wurde: In der surrealen Story über einen Mann, der die Pools der Nachbarschaft durchschwimmt, um nach Hause zu kommen, ist es die amerikanische Vorstadtidylle, die sich als trügerisch erweist. (Ivona Jelcic, 30.3.2021)