Zornbinkerl darf man nicht sagen, dass der Carlo Abarth eines gewesen wär. Er war ehrgeizig, bestimmend, und gerade im Fahrerlager war es besser, man hat ihm nicht widersprochen. "Dann geh halt Tauben züchten", soll er seinen Rennfahrern gesagt haben, wenn sie meinten, ein Rennen sei zu gefährlich. Dabei wusste er, wovon er sprach. Im Alter von 20 Jahren fuhr er sein erstes Motorradrennen. Eigentlich war er Mechaniker und sprang für einen ausgefallenen Fahrer ein, was ihn aber nicht daran hinderte, die Werksfahrer der Reihe nach zu panieren. Er stieg in den Rennzirkus ein und verließ ihn als aktiver Fahrer erst wieder, als es ihn einmal zu oft vom Bock gerissen hatte. 1949 gründete er seine eigene Firma Abarth, mit der er nicht nur Autos tunte, sondern auch eigene Rennfahrzeuge baute. Markenlogo wurde der Skorpion, das Sternzeichen Abarths, und der sticht heute noch – wenn auch nicht mehr ganz so erbarmungslos.

Der Skorpion war Karl Abarths Sternzeichen und diente ihm später als Logo seiner Sportwagen.
Foto: Guido Gluschitsch

1971 verkaufte Carlo Abarth seine Firma samt Namen an Fiat und kehrte nach Wien zurück. Inzwischen gehört Abarth zur Stellantis-Gruppe – aber der Skorpion stachelt immer noch Fiats zu Höchstleistungen an. Abarth ist für Fiat fast so was wie die M GmbH für BMW, AMG für Mercedes-Benz oder Paprikapulver fürs Erdäpfelgulasch. Und weil der Abarth 500 schon in den 1970er-Jahren legendär war, darf der aktuelle Cinquecento ebenfalls als Abarth raus, als zorniger Kleinwagen. Ganz neu ist der Abarth 595 mit seinen Ablegern Turismo, Competizione und Esseesse. Und damit das mit der Reminiszenz ja ordentlich hochgehalten wird, ist das matte Blitzblau am Test-Competizione vom Fiat 131 Abarth Rally der 1970er-Jahre inspiriert, die Felgen namens Montecarlo vom Lancia Delta HF Integrale aus den 1990er-Jahren. So weit, so althergebracht.

Farbe und Felgen sollen uns an legendäre Rennwagen erinnern.
Foto: Guido Gluschitsch

Doch das ist aus heutiger Sicht auch der Antrieb. Der 595 Competizione ist kein E-Auto, kein Voll- nicht einmal ein Mildhybrid. Das Einzige, was da elektrisch ist, sind die Fensterheber, das Infotainment und die LED-Tagfahrlichter. Ja, die Bi-Xenon-Scheinwerfer eh auch. Aber schon die Anzeige des Turboladers ist ein analoger Zeiger. Und der wischt am liebsten hektisch über sein Ziffernblatt.

Der Innenraum. Viel digital, aber zum Glück sind noch ausreichend Knöpfe für eine einfache Bedienung verbaut.
Foto: Guido Gluschitsch

Steht er auf Anschlag, drückt der Garrett-GT-Lader mit fast zwei Bar Luft in den 1,4 Liter großen Vierzylinder, der dieser Anstrengung mit 132 kW, 180 PS dankt. Die Pferde zerren dann halbwegs erbarmungslos an den Vorderrädern, um ihn in 6,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Das "halbwegs" ist der mechanischen Differenzialsperre geschuldet, die im Competizione und dem Esseesse optional und zum Glück auch im Testwagen verbaut ist. Die Versionen mit 145 und 165 PS müssen sich stets mit einer elektronischen Version begnügen.

In 6,7 Sekunden sprintet der Competizione von 0 auch 100 km/h. Spitzengeschwindigkeit: 225 km/h.
Foto: Guido Gluschitsch

Drückt man dann auch noch den Knopf mit dem Skorpion, wird man in eine fast schon vergessene Zeit versetzt. Die Auspuffklappen gehen auf, und der Winzling brüllt wie ein Großer, die Kennlinie des Gaspedals wird schärfer, die Lenkung direkter, und das maximale Drehmoment steigt von 230 Nm bei 2.500 Umdrehungen auf 250 Nm bei 3.000 Umdrehungen. Ja, er will schon getreten werden, der kleine Zornbinkel, damit er fein am Gas hängt. Und dann gönnt er sich auch recht unbescheidene neun Liter Sprit für 100 Kilometer, wenn man den Skorpion vom Stachel her aufziegelt. Gibt man sich am Gasfuß seriöser, rinnen aber immer noch sieben Liter durch die Schläuche. Er ist eben ein Sport-, kein Sparwagen. Halt noch ein bisserl so wie früher.

Die vielleicht kleinste Hutablage der Welt.
Foto: Guido Gluschitsch

Früher, das war damals, als es sich für Herren noch geziemte, Hüte zu tragen. Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, das merkt man auch am 595 Competizione. Die Hutablage reicht nämlich höchstens für ein paar Socken. Noch mehr Details sind an diesem Auto merkwürdig. Da ist etwa die extrem hohe Sitzposition, die wir eh aus dem Fiat kennen. Was für ein Segen wäre es, im Abarth, in den zu kuscheligen Schalen geformten Sitzen, mit dem Hintern nur wenige Millimeter über dem Bodenblech zu kleben und wirklich jede noch so kleine Bewegung des Autos schon zu spüren, bevor sie in Wirklichkeit passiert. Oder wenn wenigstens das Lenkrad nicht nur in der Höhe verstellbar wäre. Dann würden die gelben Gurte gleich noch mehr Eindruck schinden. So fühlt man sich in dem Auto fast schon ein wenig wie auf einem Hochsitz – halt eben auch einem winzigen.

Die Sitze sind genial sportlich, nur leider in der Höhe nicht verstellbar, und das Popscherl ist gar weit weg vom Bodenblech.
Foto: Guido Gluschitsch

Dafür gibt es aber die bereits erwähnte mechanische Sperre, einen Handbremshebel, der seinen Namen noch verdient, auf Zug die Hinterräder einbremst und nicht auf Knopfdruck alle Räder bis notfalls in die ABS-Regelung runterschmeichelt. Die Schaltwege sind kurz, die Gänge schlank übersetzt – eine halbautomatische Fünf-Gang-Schaltung gibt es für Turismo, Competizione und Esseesse auch, aber das Schalten von Hand passt schon ganz gut zu dem Abarth, dem extrem kurzen Radstand und der stattlichen Leistung. Ja, er macht schon Spaß im Kurvengewühl, ist allein schon ob seiner Größer praktisch in der Stadt, und schön ist er auch. Martialisch im Auftritt und Klang, aber dezent im Platzverbrauch. Brutal, wenn man am Kurvenscheitel das Gaspedal in die Bodenplatte drückt, und dann doch, verglichen mit anderen Sportwagen, sparsam. Ein Abarth halt.

Der Handschalter passt schon sehr gut zu diesem Abarth, wie auch die mechanische Sperre auf der Antriebsachse.
Foto: Guido Gluschitsch

Das trifft auch auf den Preis zu. Der Abarth 595, der mit den 145 PS beginnt, bei 22.990 Euro, der Turismo mit 165 PS bei 26.990 Euro. 29.590 Euro kostet der Competizione mit 180 PS, der gleich starke Esseesse beginnt bei 32.290 Euro – die Cabrioversionen kosten jeweils 3.000 Euro mehr. (Guido Gluschitsch, 6.4.2021)

So kleine Rohre, und schon soooo laut.
Foto: Guido Gluschitsch