Sechstausend Schritte. Da geht noch mehr. Sagen der Verstand und die Uhr, die seit einigen Tagen am Handgelenk ihr Platzerl für einen Kurztest gefunden hat. Also machen wir noch ein paar Umwege, die T-Touch Connect Solar von Tissot, der innere Schweinehund und ich.

Eine Extrarunde, die wohl auch der Hersteller gedreht hat. Seit Jahren im Gespräch als mögliche "Smartwatch der Swatch Group", zu der Tissot gehört, kam die T-Touch Connect Solar heuer auf den Markt. Reichlich spät, wie einige Experten meinen.

Satte 47 Millimeter ist die Titanuhr groß.
Foto: Tissot

Doch dagegen und auch gegen das Etikett Smartwatch wehrt man sich bei der Traditionsmarke: "Kein Gadget und kein am Handgelenk getragenes Mini-Tablet", soll sie sein. "Sie funktioniert immer auch als normale Uhr", wie Tissot-CEO Sylvain Dolla betont. So sucht man bei der T-Touch vergeblich einen Touchscreen, dafür findet man eine auf den ersten Blick herkömmliche Zeitanzeige vor. Angetrieben von einem Quarzwerk und einem eigens entwickelten, maßgeschneidertem Betriebssystem.

Getauft wurde es "Swalps". Klingt einfacher als "Swiss Autonomous Low Power Operating System". Es ist eine Gemeinschaftsanstrengung der Swatch Group und des Schweizer Forschungsunternehmens Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM). Zum einen auf Energieeffizienz getrimmt, kann es zum anderen mit allen: Die T-Touch Connect Solar gilt als die weltweit erste "Connected-Uhr", die mit den drei gängigen mobilen Betriebssystemen iOS, Android und Harmony (Huawei) kompatibel ist. Mit iOS gab’s keine Probleme, das hat der Test gezeigt.

Lieber unabhängig

Der Grund, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln (Dauer: vier Jahre), war laut Dolla schlicht Unabhängigkeit. Denn schon einmal hat sich die Swatch Group bei einer Kooperation in Sachen Smartwatch die Finger verbrannt, Mitte der 2000er. Der Partner hieß damals Microsoft. Swatch-Group-Boss Nick Hayek und Bill Gates hatten das Projekt in New York mit großem Tamtam vorgestellt – es floppte. Der Software-Gigant zog sich zurück, und "wir standen vor dem Nichts", wie sich Hayek erinnert. "Das war hässlich, und auch demotivierend, da wir bei der Infrastruktur von Microsoft abhängig waren." Das Thema war seither offiziell vom Tisch.

Die T-Touch Connect Solar gilt als die weltweit erste "Connected-Uhr", die mit den drei gängigen mobilen Betriebssystemen iOS, Android und Harmony (Huawei) kompatibel ist.
Foto: Tissot

2015 kam dann Apple mit seiner "Watch" um die Ecke und verkauft inzwischen mehr als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie zusammen. Die Handelszeitung bringt es auf die Formel "Apple Watch = Rolex plus Swatch Group". Der IT-Konzern konnte die Verkäufe seiner Smartwatch im Krisenjahr 2020 um zwölf Prozent steigern. Analysten geben auch den smarten Luxusuhren von TAG Heuer, Montblanc oder Hublot nur geringe Chancen, Apples De-facto-Smartwatch-Monopol zu gefährden. Dennoch sieht Hayek die Apple Watch nicht als Gefahr, im Gegenteil. Er sieht sie als Platzhalter, sie bringe selbst Uhrenmuffel dazu, sich etwas ans Handgelenk zu legen – vielleicht einmal eine "echte" Uhr oder eben die T-Touch.

Tatsächlich schien gerade die T-Touch-Kollektion als Basis für eine "Swatch-Smartwatch" prädestiniert zu sein. Schon 1999 lancierte man die Linie. Was die Uhr damals so aufregend machte: die taktile Bedienung über berührungsempfindliches Glas. Es verfügt über sensitive Zonen entlang des Randes, mit denen sich diverse Funktionen ansteuern lasse – zum Beispiel die Navigation, wo die Zeiger als Kompassnadeln dienen, die Wettervorhersage mittels eines eingebauten barometrischen Sensors oder der Aktivitätstracker, der die Schritte mitzählt. Kurz: eine raffinierte Kombination von Mechanik und Elektronik.

Anruf abgelehnt

Dieser hat man in der aktuellen Version ausreichend Platz eingeräumt. Satte 47 Millimeter misst die Titanuhr im Durchmesser, lässt sich dementsprechend nur schwer unter die Manschette zwingen. Es gibt auch Drücker und Krone, die jeweils mehrere Funktionen haben. So kann man etwa über diese "digitale" Krone auch durch das Menü scrollen und mittels Drückens Funktionen starten – was gewöhnungsbedürftig ist.

Eine ihrer unbestrittenen Stärken: Sie wird mithilfe von Photovoltaikzellen am Display durch Sonnenenergie aufgeladen und ist besonders energieeffizient.
Foto: Tissot

Man kann den Zeitmesser mittels Bluetooth mit dem Smartphone verbinden, um die Uhr zu konfigurieren und um alle Features optimal nutzen zu können. Dies geschieht mittels einer eigens entwickelten App und klappt ganz gut. Weil sich vor allem Männer nicht gerne mit Bedienungsanleitungen aufhalten, wie Sylvain Dolla augenzwinkernd zugibt, hat man kurzerhand ein Erklärvideo produziert und auf Youtube zur Verfügung gestellt.

Das hilft enorm. Im "Connect"-Modus verfügt die T-Touch Connect Solar über weitere Funktionen, die mit der App am Smartphone verbunden sind und mittels Bluetooth übertragen werden. Unter anderem können alle gewünschten Benachrichtigungen des Smartphones auf der Uhr angezeigt werden. Die tauchen dann auf einem zweizeiligen Mini-Display auf. Anrufe kann man nicht annehmen, aber immerhin ablehnen.

Sonnenenergie

Im Gegensatz zu Smartwatches lassen sich zum Beispiel auch keine Gesundheitsdaten oder andere Aktivitäten aufzeichnen, obwohl sich die Uhr ausdrücklich an Sportler wendet. Auch das eingebaute GPS-Modul ist funktionslos. Soll aber bald eine Aufgabe erhalten. Denn die Uhr lässt sich updaten. Eine ihrer unbestrittenen Stärken: Sie wird mithilfe von Photovoltaikzellen am Display durch Sonnenenergie aufgeladen und ist besonders energieeffizient. Auch hier hatte das CSEM seine Finger im Spiel.

Obwohl die Uhr mit einem Ladegerät geliefert wird, stützt sie sich hauptsächlich auf die Photovoltaikzellen, die ein uneingeschränktes Aufladen der Batterie ermöglichen. Sechs Monate soll sie autonom ohne zusätzliche Stromzufuhr durchhalten. Da kann keine Smartwatch mithalten. (Markus Böhm, RONDO, 25.4.2021)

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