Wien/Innsbruck – In Tirol wird neuerlich eine Ausreisetestpflicht verhängt: Ab Mittwoch darf man aus Nordtirol nur mit einem negativen PCR- oder Antigentest ausreisen. Grund dafür ist das verstärkte Auftreten der sogenannten britischen Virusmutation B.1.1.7 mit dem Mutationsmerkmal E484K. Das teilte das Land Tirol am Sonntag mit.

Stand Montag gab es in Tirol 260 aktiv positive Fälle dieser Variante – fast drei Viertel davon in den Bezirken Kufstein und Schwaz. In anderen Teilen Österreichs ist die britische Virusmutation mit dem Mutationsmerkmal laut Gesundheitsministerium bisher nur vereinzelt aufgetreten.

Bei der Mutation E484K tritt an der Stelle 484 des Spikeproteins anstatt der Aminosäure Glutaminsäure ein Lysin auf. Experten befürchten, dass Antikörper das Virus deshalb nicht mehr so gut binden können.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Bei der Mutation E484K befindet sich an der Stelle 484 des Spikeproteins anstatt der Aminosäure Glutaminsäure ein Lysin. Das führt möglicherweise dazu, dass Antikörper das Virus nicht mehr so gut binden können.

"Es ist fraglich, ob diese Mutationsvariante durch die bisher entwickelten Impfstoffe genauso gut abgedeckt wird", sagt Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Labordaten legen nahe, dass sich die Schutzwirkung der Impfung in diesem Fall vermindert.

Geringe Schutzwirkung durch Impfung

Laut einer Studie, die kürzlich im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, reduziert die zusätzliche Mutation E484K bei B.1.1.7 im Laborversuch die durch den Impfstoff von Biontech/Pfizer hervorgerufene neutralisierende Wirkung der Antikörper erheblich. Die Conclusio der Autoren: B.1.1.7 plus E484K ist eine Bedrohung für die Wirksamkeit des Vakzins.

Im Bezirk Schwaz gilt aufgrund von Clustern der südafrikanischen Variante seit 11. März eine Ausreisetestpflicht. Diese wurde vergangene Woche bis 1. April verlängert. Für Nordtirol soll die Testpflicht bei Ausreise bis inklusive 14. April gelten, im Bezirk Kufstein wurde zudem eine FFP2-Masken-Pflicht an ausgewählten öffentlichen Plätzen verordnet.

Aufgrund der allgemein hohen Inzidenzwerte hält Bergthaler Maßnahmen für das gesamte Bundesgebiet für sinnvoll: "Je höher die Infektionszahlen, desto eher geben wir dem Virus die Chance, Mutationen zu bilden."

Ob die Mutation in Tirol neu entstanden ist oder eingetragen wurde, ist laut Bergthaler noch nicht geklärt. Mit Ganzgenomsequenzierungen will man diese Frage in der kommenden Woche beantworten.

Bereits Geimpfte infiziert

In Schwaz ist die Virusmutation zwischen den zwei Impfkampagnen aufgetreten. Auch die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck hält es deshalb für möglich, dass die Impfstoffe bei der Virusmutation schlechter wirken. "Mich würde es nicht wundern, wenn viele dieser Fälle Personen betreffen, die bereits ihre erste Teilimpfung erhalten haben", sagt sie.

Rund 80 Prozent der impfbaren Bevölkerung im Bezirk Schwaz haben im Zuge der Impfoffensive bis zum 15. März ihre erste Teildosis erhalten. Laut Angaben des Landes Tirol gegenüber dem STANDARD befinden sich auch bereits geimpfte Personen unter den mit der Virusmutation Infizierten.

Nach aktuellem Kenntnisstand wurden sie im Schnitt etwa neun Tage nach der Impfung positiv getestet. Es sei deshalb davon auszugehen, dass in diesen Fällen die volle Schutzwirkung der Impfung noch nicht eingetreten ist, heißt es aus dem Amt der Tiroler Landesregierung. Ob die nun positiv getesteten Geimpften auch symptomatisch sind, ist derzeit Gegenstand von Erhebungen.

Besserer Schutz gegen Mutationen

Auch von Laer vermutet, dass der Impfschutz bei den Infizierten noch nicht vollkommen aufgebaut war. "Der Schutz könnte sich nach der zweiten Impfung verbessern", sagt sie. Trotzdem brauche es nun dringend Strategien dafür, innerhalb der Bevölkerung nicht nur einen Schutz gegen den Wildtyp aufzubauen, sondern auch gegen potenzielle "Immunescape-Varianten".

"Langfristig müssen wir überlegen, wie wir eine gute Kreuzimmunität herstellen können", sagt von Laer. Man solle etwa Nachimpfungen mit besser wirksamen Impfstoffen rechtzeitig einplanen.

Ansonsten könnten sich über den Sommer Varianten, bei denen einzelne Impfungen nicht wirken, durchsetzen. Im Herbst käme es dann neuerlich zu einem rasanten Anstieg der Infektionen. "Wir sollten daher den Sommer nutzen und nicht verschlafen." (Eja Kapeller, 29.3.2021)