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So viele Schiffe können den Suezkanal maximal pro Tag passieren. Die Ever Green verstopfte den Suezkanal, was in Europa bei etlichen Produkten zu längeren Wartezeiten führt.
Foto: Reuters

Wem spontan die Idee gekommen ist, der Osterhase sollte dem Nachwuchs ein neues Fahrrad bescheren, der muss wohl umsatteln. Leider seien derzeit viele Modell ausverkauft, heißt es etwa beim Klosterneuburger Kinderfahrradhersteller Woom. Die Lieferzeiten, sie ändern sich beinahe täglich. Bis Ende Mai, Anfang Juli muss man sich für viele Räder gedulden.

Zu der großen Nachfrage kommen Probleme bei den Lieferketten. Manche Komponenten werden gar nicht in ausreichender Menge geliefert. Einerseits legen Corona-Cluster etwa Fabriken in Malaysia oder anderswo in Asien still. Dazu kommt ein Mangel an freien Containern, Hersteller und Großhändler müssen auf teurere Luftfracht umsteigen. Die Lieferketten sind zum Zerreißen gespannt.

Lebensader der Industrie

Die Folge: Frachtkosten haben sich schon vor dem Dilemma im Suezkanal vervielfacht. Und jetzt noch der Stau in einer der wichtigsten Lebensadern für die Industrie. Das setzt den Lieferkettenproblemen noch eines drauf, sagt etwa auch Hannes Roither, Sprecher des Kranherstellers Palfinger. Palfinger liefert Kräne nach China und bekommt Teile von dort. Wie groß die Probleme nun werden, könne man noch nicht abschätzen.

Das im Suezkanal festgefahrene Riesen-Container-Schiff Ever Given wurde am Montagmorgen freigelegt, im Tagesverlauf wurde der Kanal wieder für den Verkehr freigegeben. Neben dem Transport von Rohöl spielt er auch für die Güterversorgung Europas eine wichtige Rolle. Besonders betroffen sind neben Sportgeräten auch viele Produkte rund um das eigene Heim, also Möbel oder Unterhaltungselektronik.

Angespannte Situation

Von einer seit der Corona-Krise grundsätzlich angespannten Liefersituation berichtet man auch bei dem Haushaltsgerätehersteller Miele. Zurückzuführen sei dies auf eine weltweit gestiegene Nachfrage und das Auftreten von Corona in einem Werk. Direkt betroffen von der verstopften Wasserstraße sei man hierzulande aber nicht. "Infolge der Verzögerungen im Suezkanal zeichnen sich für uns bei den Zulieferungen derzeit keine Engpässe ab", sagt Miele-Österreich-Chefin Sandra Kolleth.

Wobei sich Kunden womöglich generell an Wartezeiten gewöhnen müssen – denn die Blockade des Suezkanals ist nur das plakativste Ereignis für verstopfte Lieferketten, aber keineswegs das einzige. Dazu kommen auch regelmäßig Wetterextreme wie zuletzt extremer Frost in Texas, der die Petrochemie vorübergehend lahmlegte, oder eine Dürre in Taiwan, was die nach Wasser dürstende Halbleiterproduktion beeinträchtigte und die Engpässe in der Branche weiter verschärfte.

Teure Lagerhaltung

Das trifft die Gütererzeugung mitunter deshalb so hart, weil die Lagerhaltung von Rohstoffen und Vorerzeugnissen seit langem immer weiter zugunsten der sogenannten Just-in-time-Lieferketten reduziert wurde. Dabei sollen die benötigten Werkstoffe erst möglichst knapp vor der Produktion angeliefert werden. Deren Bevorratung kostet zwar viel Geld, schafft aber Spielräume, falls die Lieferketten dann doch nicht halten, was sie zuvor versprochen hatten.

"Die europäische Wirtschaft ist mittlerweile sehr abhängig von Zulieferungen aus Asien", sagt Philip Beblo dem Handelsblatt. Er ist Experte für Betriebsunterbrechungen bei der Allianz und schätzt, dass ein Großteil der europäischen Wirtschaft mit Verzögerungen bis zu zwei Wochen klarkomme. Was im Fall der Suez-Blockade eng werden könnte. Laut Angaben der ägyptischen Kanalbehörde stauten sich am Montagmorgen bereits etwa 370 Schiffe, die auf eine Passage durch den Kanal warten.

Stau in den Häfen

Im Durchschnitt wird der Kanal jeden Tag 51-mal passiert, der maximale Durchsatz beläuft sich auf 106 Schiffe pro Tag. Es wird also trotz der Freigabe des Suezkanals wohl noch einige Tage dauern, bis sich der Stau gänzlich aufgelöst hat – um sich dann in Europas Häfen zu verlagern. Denn auch dort sind die Kapazitäten begrenzt, die Abfertigung großer Containerschiffe lässt sich nicht so einfach beschleunigen, wie zuvor schon die wegen der Corona-Pandemie entstandenen Probleme in US-Häfen zeigten.

"Schon die Corona-Krise hat für Verwerfungen im maritimen Handel gesorgt und die Preise für den Container-Transport explodieren lassen", sagt Vincent Stamer vom Kieler Institut für Welthandel. Die Havarie im Suezkanal und ihre Nachwirkungen seien nur eine zusätzliche Belastung. "Das treibt tendenziell die Preise für den Seehandel nach oben, was sich früher oder später auch in den Produktpreisen niederschlagen dürfte."

Das zeigen auch die Charterraten für Containerschiffe, die schon seit Mitte des Vorjahres wieder steigen. Zuvor waren sie etwa ein Jahrzehnt auf tiefem Niveau geblieben, da sich nach der Finanzkrise ein Überangebot an Kapazitäten gebildet hatte. Nun könnte in der Corona-Krise der Wind gedreht haben, da das Angebot an Containerschiffen angesichts sehr langer Bauzeiten nur langsam erhöht werden kann.

Eine derart zeitraubende Erzeugung ist nicht das Problem der Vorarlberger Edelfahrradschmiede Simplon. Dennoch spricht auch deren Chef Stefan Vollbach von einem "Stich auf den schon bestehenden Schmerz". Welche Teile auf welchem der Schiffe festhingen, könne man noch gar nicht sagen. Während im Handel so manche Fahrräder schon um bis zu zehn Prozent teurer geworden sind, schließt Vollbach nicht aus, dass sich die höheren Frachtkosten künftig auch bei den Verkaufspreisen seiner Produkte bemerkbar machen. (Alexander Hahn, Regina Bruckner, 30.3.2021)