Ab 1. April können sich Betroffene einfacher wehren.

Foto: Markus Sulzbacher

Derzeit braucht es offensichtlich nicht viel, um das Ziel von Hass im Netz zu werden. Im Fall der Schauspielerin, Kabarettistin, Autorin und Moderatorin Chris Lohner reichte es aus, dass sie ihre schwere Covid-19-Erkrankung auf ihrem Facebook-Profil bekanntgab. Sie bekam zwar viel Zuspruch, aber auch jede Menge an Boshaftigkeiten zu hören. Nachdem sich die 77-jährige ORF-Legende und ÖBB-Stimme wieder erholt hatte, zeigte sie sich fassungslos: "Manche sind mir Corona neidig." Und sie richtete den Hatern via "Kurier" aus: "Sollte ich Sie treffen, sagen Sie mir Ihre Sauereien ins Gesicht, aber Vorsicht – stecken Sie mich nicht mit Ihrer Kleingeistigkeit und Ihrer Dummheit an!"

Die Pandemie hat für einen starken Anstieg der Meldungen von Online-Rassismus gesorgt, wie aus dem aktuellen Bericht der Anti-Rassismus-Initiative Zara hervorgeht. Insgesamt haben sich im Vorjahr 3.039 Menschen an Zara gewandt, die Rassismus erlebt oder wahrgenommen haben. Gegenüber 2019 sind das 1.089 Fälle mehr. Der überwiegende Teil der Meldungen (2.148) entfiel auf Online-Rassismus, was einer Verdoppelung gegenüber 2019 entspricht.

Betroffene können sich nun besser wehren

Für Betroffene von Hasspostings, Bedrohungen oder Bloßstellung im Internet gibt es neuerdings Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Dafür hat die türkis-grüne Regierung ein Gesetzespaket beschlossen, das in den kommenden Tagen scharf gestellt wird. Ab 1. April müssen große Kommunikationsplattformen wie Facebook oder Instagram einfache Wege zur Löschung rechtswidriger Inhalte anbieten. Sind gemeldete Inhalte offensichtlich rechtswidrig, müssen sie binnen 24 Stunden gelöscht oder gesperrt werden. Ist eine Prüfung nötig, darf diese nicht länger als sieben Tage dauern. Ist ein Nutzer mit dem Vorgehen einer Plattform nicht zufrieden, kann er die dem Bundeskanzleramt unterstellte Regulierungsbehörde KommAustria einschalten. Diese kann bei wiederholten Verstößen bis zu zehn Millionen Euro Strafe verhängen.

Die neuen Vorschriften gelten für in- und ausländische Kommunikationsplattformen, die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von mehr als 500.000 Euro haben und gewinnorientiert arbeiten – aber es gibt auch eine Reihe von Ausnahmen. Handelsplattformen wie Willhaben, Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen sind ganz ausgenommen, aber auch Videos auf Youtube, Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien. Nicht vorgeschrieben ist eine Klarnamenpflicht.

Telegram nicht dabei

Die bei Rechtsextremen, Antisemiten, Corona-Leugnern und Verschwörungserzählern beliebten Telegram-Channels fallen ebenso nicht darunter, da Telegram nicht die gesetzlich erforderlichen Bedingungen, wie 500.000 Euro Umsatz, erfüllt. Zudem wird Telegram nicht als Plattform eingestuft, sondern als Messenger.

Mit einem Formblatt auf der Webseite des Justizministeriums können Betroffene die Ausforschung eines Hassposters durch das Gericht anstoßen. So kann binnen weniger Tage die Löschung erreicht werden. Denn wenn der Vorwurf schlüssig ist, muss das Gericht keine mündliche Verhandlung durchführen und auch nicht die Gegenseite anhören, um die Unterlassung vorzuschreiben.

Verhetzung

Strenger wurden auch die Regelungen, was strafbar ist. So ist jetzt auch"Upskirting" – also die unbefugte Bildaufnahmen des Intimbereichs – verboten. Und es setzt auch eine Strafe, wenn gegen eine Einzelperson gehetzt wird, weil sie einer bestimmten Religion oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat. Bisher gab es diesen Schutz nur für Personengruppen. Damit erhofft sich die Regierung, auch stärker gegen rechtsextreme Gruppierungen vorgehen zu können. "Cybermobbing" kann schon ab dem ersten Posting – und nicht erst bei Wiederholung – geahndet werden.

Ausforschung in Deutschland

Wie tauglich das Gesetzespaket ist, wird sich zeigen. Der Aktivist und Autor Sebastian Bohrn Mena will es herausfinden, da er regelmäßig mit Hass im Netz konfrontiert ist. Nach seinen wöchentlichen Auftritten in der einer Diskussionsrunde auf oe24.tv wird er samt Familie regelmäßig von Rechtsextremen bedroht, wenn er etwa gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung oder der FPÖ auftritt, wie er erklärt. Dazu kommen zusätzlich Attacken, die darauf abzielen würden, seine wirtschaftliche Existenz zu zerstören. Laut Bohrn Mena wurden "anonym Mails an Geschäftspartner verschickt, unter Nutzung eines deutschen Mailproviders". Darin seien "kreditschädigende Behauptungen" aufgestellt worden, etwa "Untreue in der Finanzgebarung des Tierschutzvolksbegehrens".

Bisherige Anzeigen hätten, so Bohrn Mena, nichts gebracht. Die Ermittlungen seien eingestellt worden. Nach Einschätzung seines Medienanwalts gebe es nun mit dem "Hass im Netz"-Gesetz eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, sagt Bohrn Mena. So wurde bereits ein Ausforschungsantrag an die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel gestellt, die Urheber des Schreibens wegen Rufschädigung zu belangen. In Deutschland hat ein Gericht den Provider bereits gezwungen, hier entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Der Fall könnte zeigen, wie wirksam die Maßnahmen der Regierung gegen Hass im Netz sind und ob auch ein Mailanbieter in Deutschland wegen übler Nachrede aktiv wird und Daten herausgeben wird. Laut Justizministerium soll das "Hass im Netz"-Gesetzespaket unter anderem bei Nötigung, gefährlicher Drohung, Verhetzung und Verleumdung angewendet werden. (Markus Sulzbacher, 30.3.2021)