Eine Dosis des Johnson-&-Johnson-Vakzins reicht für einen Schutz gegen das Coronavirus aus.

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Wien/Paris – Bis zur breiten Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen mit nur einer notwendigen Impfdosis müsse alles darangesetzt werden, möglichst vielen Österreichern die Erstimpfung zu verabreichen. Denn "Herdenschutz" könne mit infektiöseren Sars-CoV-2-Varianten kaum erreicht werden, erklärte der Wiener Impfexperte Herwig Kollaritsch am Montagabend.

Insgesamt seien alle derzeit zugelassenen Corona-Impfstoffe sehr gut wirksam, sicher und verträglich, betonte der Spezialist für Spezifische Prophylaxe (Impfungen), Reise- und Tropenmedizin bei einer Online-Ärztefortbildung. Die Rate von Todesfällen und Ereignissen wie Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien im zeitlichen Umfeld von Impfungen sei im Grunde im Rahmen der Häufigkeit, in der solche Ereignisse auch sonst auftreten. Sie kämen sehr selten vor. Für alle thromboembolischen Komplikationen nach Impfung mit dem Vektor-Impfstoff von Astra Zeneca gebe es kein Signal eines häufigeren Auftretens. Die Häufigkeit von Hirnvenenthrombosen liege vor allem in Deutschland bei Geimpften geringfügig über dem sonstigen Vorkommen solcher Erkrankungen.

Daten aus Israel

In Bezug auf den Astra-Zeneca-Impfstoff erklärte Kollaritsch: "Die Nutzen-Risiko-Relation bleibt hochpositiv. Ein Pausieren der Impfung für zwei Wochen in Österreich bei der gegenwärtigen epidemiologischen Situation hätte die Inkaufnahme von zwölf verhütbaren Covid-19-Todesfällen und 34 Hospitalisierungen bedeutet." Derzeit sind mit den beiden mRNA-Vakzinen (Pfizer/Biontech, Moderna) und den beiden Vektor-Vakzinen (Astra Zeneca, Janssen-Cilag) vier Covid-19-Impfstoffe in der EU zugelassen. In Österreich basiert die Impfkampagne bisher auf den mRNA-Vakzinen und jenem von Astra Zeneca – jeweils mit zwei Teilimpfungen.

Aus Israel gibt es mit dem Pfizer-Biontech-Impfstoff bereits Daten über die Schutzrate in der routinemäßigen Verwendung (von fast 600.000 Geimpften/Nichtgeimpften zwischen 20. Dezember 2020 und 1. Februar 2021). Zwei Wochen bis 20 Tage nach der ersten Teilimpfung lag die Schutzrate gegen eine Virusinfektion bei 46 Prozent. Drei Wochen bis 27 Tage nach der Immunisierung lag der Schutz bei 60 Prozent und sieben Tage nach zweiter Teilimpfung bei 92 Prozent. Bei schweren Erkrankungen lagen die Schutzraten bei 62 Prozent, 80 und schließlich ebenfalls 92 Prozent.

Erste Teilimpfung schnell erhalten

Aus den Erfahrungen mit allen Vakzinen, bei denen eine zweifache Dosis erforderlich ist, lässt sich laut Kollaritsch ableiten: "Es ist enorm wichtig, dass möglichst viele Menschen möglichst schnell die erste Teilimpfung erhalten." Der Schutz baue sich nämlich mit der Zeit auf, die zweite Teilimpfung diene vor allem der Konsolidierung des Impferfolgs.

Das hat potenziell große Auswirkungen auch auf das österreichische Covid-19-Impfprogramm. Ursprünglich sollte die zweite Teilimpfung der mRNA-Vakzine nach drei (Pfizer-Biontech) bzw. vier Wochen (Moderna) und elf bis zwölf Wochen (Astra Zeneca) erfolgen. Reizt man aber bei den mRNA das Impfintervall auf sechs Wochen aus (maximal 42 Tage) und geht man bei Astra Zeneca auf die zwölf Wochen (maximal 84 Tage), gewinnt man Zeit für die Erstimpfung von mehr Personen und nutzt die zur Verfügung stehende Impfstoffmenge besser für eine schnelle Schutzwirkung in der Bevölkerung.

Hirn schützen

"Das Ausreizen der möglichen Impfintervalle erlaubt Flexibilität und eine wesentlich raschere Animpfung (inklusive Schutz, Anm.) der Bevölkerung mit der ersten Teilimimpfung", sagt Kollaritsch. "Der Verzicht auf das 'Vorhalten' (Aufbewahren, Anm.) der zweiten Impfdosis, da die Liefermengen ständig steigen, hätte den Effekt, dass bis zur Kalenderwoche 30 (ab 20. Juli, Anm.) bis zu zwei Millionen Personen in Österreich mehr erstgeimpft werden könnten." Dagegen ist die EU-Impfstoff-Verteilungsdiskussion mit eventuell geringen Nachbesserungen für Österreich von recht geringer Bedeutung, weil es da um hunderttausende Dosen geht.

"Wer ein Hirn hat, soll es schützen", sagte einst der österreichische Erfinder der FSME-Impfung, der Wiener Virologiepionier Christian Kunz. Die FSME-Impfung stellt wegen der Nichtübertragbarkeit der Erkrankung von Mensch zu Mensch (ausschließlich von infizierten Zecken auf den Menschen) den klassischen Fall des Individualschutzes dar. Doch auch bei Covid-19, von Mensch zu Mensch leicht übertragbar, kommt es laut Kollaritsch primär auf den Schutz des Einzelnen durch die Impfung an.

Individualschutz statt Herdenimmunität

Der Grund dafür: Vor allem mit infektiöseren Virusvarianten ist das Erreichen einer Herdenimmunität, bei der ein hoher Prozentsatz immunisierter Menschen in der Bevölkerung auch die Nichtgeimpften schützt, kaum zu erreichen. So ging man vom Erreichen eines Herdenschutzes bei den ersten Sars-CoV-2-Stämmen (Wuhan) vor der britischen BV.1.1.7-Variante ab einem Durchimpfungsgrad der Bevölkerung von 63 Prozent aus. Dies sollte bei einer Vakzin-Schutzrate von 86 Prozent und einer Basisreproduktionszahl der Viren von 2,7 – eine infizierte Personen steckt im Durchschnitt 2,7 weitere Menschen an – eintreten. "Die B.1.1.7-Virusvariante hat aber eine Basisreproduktionszahl von 4,5. Da müsste die Durchimpfungsrate bei 78 Prozent liegen", so Kollaritsch.

Diese "kollektive Immunität" sei nicht zu erreichen, vor allem solange man Kinder und Jugendliche nicht durchimpfen könne. Bisher sind die Impfstoffe erst ab 16 beziehungsweise 18 Jahren zugelassen. Studien zur Herabsetzung der Altersgrenze laufen aber.

Johnson & Johnson ab 19. April in Europa

Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson wird am 19. April mit seinen Impfstofflieferungen an europäische Staaten beginnen. Das teilte das Unternehmen am Montag mit. Der Impfstoff von Johnson & Johnson hatte am 11. März grünes Licht für die Anwendung in der EU erhalten. Zur Ausweitung seiner Produktion hat das US-Unternehmen in den vergangenen Monaten mehrere Kooperationsvereinbarungen mit europäischen Firmen getroffen, darunter IDT Biologika in Deutschland, Sanofi in Frankreich und Catalent in Italien.

Derzeit wird der J&J-Impfstoff in den USA und Südafrika eingesetzt, zugelassen ist er auch in Kanada. Nach Unternehmensangaben schützt das Vakzin, das nur einmal verabreicht werden muss, auch gegen Mutanten des Coronavirus. Eine weltweite Studie mit fast 40.000 Teilnehmern hatte eine Wirksamkeit von 85,4 Prozent gegen schwere Verläufe von Covid-19 gezeigt, die Wirksamkeit bei moderaten Verläufen lag bei 66 Prozent. Der Impfstoff muss weniger stark gekühlt werden als andere, was Transport und Verteilung erleichtert. (APA, red, 30.3.2021)