Unterricht im Klassenzimmer ist seit einem Jahr zur Seltenheit geworden. Wer lernt, macht das nun in der Regel auch im Homeoffice. Wie verändert sich dadurch der Wissenserwerb? Das hat in mehreren Studien die Pädagogische Hochschule Steiermark in Graz in Kooperation mit der Industriellenvereinigung und der Bildungsdirektion Steiermark untersucht. Bedingt durch die Krise bot sich eine noch nie da gewesene Gelegenheit: Die Online-Lehre wurde nämlich in der Steiermark nicht gesamtheitlich erforscht, weil sie bisher nur verstreut eingesetzt wurde.

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Videomaterial könnte auch nach der Pandemie stärker im Schulunterricht zum Einsatz kommen. Die Schüler können den Stoff so selbstständig wiederholen.
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Durch die Covid-bedingte Umstellung standen nun aber deutlich mehr davon beeinflusste Personen für eine Befragung zur Verfügung. So widmete sich Georg Krammer mit seinen Kolleginnen Marlies Matischek-Jauk und Barbara Pflanzl in diesem Zusammenhang der Lehramtsausbildung. "Für bildungswissenschaftliche Forschung in dieser Zeit eröffnete die Umstellung der Hochschullehre auf Online-Lehre Chancen zur Beforschung", sagt er.

"Es sind dadurch Selektionseffekte weggefallen, die unter normalen Umständen für Studien unumgänglich waren: Alle Lehrenden mussten auf Online-Lehre umstellen; alle Studierenden mussten an Online-Lehre teilnehmen. Wenn ich als Lehrender mit Online-Lehre nichts zu tun haben möchte, werde ich vor 2020 auch keine Online-Lehre gemacht haben. Deshalb war das vergangene Jahr ein guter Zeitpunkt, um das zu erforschen."

Mangelnde Motivation

Dazu haben Krammer und sein Team 1300 Lehramtsstudierende befragt. Über 600 förderliche und hinderliche Aspekte des Online-Unterrichts konnten dabei erhoben werden. Zum einen wurde deutlich, dass es in der digitalen Lehre im Wesentlichen auf die gleichen Dinge ankommt wie in der gängigen Praxis der Hochschulen: Je strukturierter Arbeitsaufgaben und Materialien sind, desto besser.

"Es zeigt sich aber auch, dass die Online-Lehre eigene Fallstricke hat", sagt Krammer. So müsse bedacht werden, dass die Studierenden allein vor dem Computer zurechtkommen müssen und deshalb die Lehrmaterialien noch selbsterklärender sein sollten.

Im Präsenzunterricht lassen sich Unklarheiten schnell durch den direkten Kontakt ausräumen. Auf der Datenautobahn herrscht aber in der Hinsicht ein anderes Tempo. "In der Online-Lehre sind immer noch mehr Kommunikationsschleifen drin. Dadurch ist es viel umständlicher, Kleinigkeiten zu klären."

Ohnehin sei das einsame Büffeln vor dem Rechner ein Punkt, den man nicht unterschätzen dürfe und dem Lehrende so weit entgegenwirken sollten, wie es möglich ist: Die Studie habe gezeigt, dass das Lernen ganz allein die Leistungsmotivation senkt und dadurch die Ausbildung schlechter erlebt wird. Lehrende sollten daher möglichst viele Gelegenheiten bieten, bei denen sich Studierende untereinander austauschen und miteinander interagieren können.

Zusätzlicher Zeitaufwand

Während Krammer und seine Kolleginnen sich mit angehenden Lehrkräften auseinandergesetzt haben, befragte Harald Burgsteiner wiederum das pädagogische Personal, das längst im Einsatz ist: Dabei zeigte sich vor allem, dass diese Umstellung mit einem zusätzlichen Zeitaufwand verbunden war: "70 Prozent der Lehrenden meinten, dass sie bis zu 16 Stunden zusätzlich, wenn nicht gar noch mehr, pro Woche gearbeitet haben", berichtet Burgsteiner. Dementsprechend kränkend war für sie, dass Eltern anfänglich regelmäßig murrten, dass durch den Lockdown die Lehrkräfte nun noch weniger arbeiten würden.

Jedoch habe sich das über die Zeit geändert: In der Rolle als heimische Ersatzausbildende haben viele Eltern offenbar bemerkt, was es heißt, Schulunterricht zu geben, sodass das Lehrpersonal inzwischen vermehrt für seine Arbeit würdigende Rückmeldungen bekommt.

Zudem scheinen die Lehrkräfte in Sachen Digitalunterricht auf den Geschmack gekommen zu sein: Zwar waren gerade technische Hürden anfangs eine große Herausforderung, aber viele der Befragten wollen auch nach der Pandemie Online-Elemente beibehalten, mit denen sie nun Bekanntschaft gemacht haben – vor allem Videomaterial sei gut geeignet, damit Einzelne später für sich den Stoff wiederholen können. (Johannes Lau, 2.4.2021)