Der Umstieg auf die Elektromobilität eröffnet viele neue Potenziale in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit – mit Betonung auf Potenziale. Denn diese gilt es erst durch konsequente Entwicklungsarbeit zu heben. Systeme und Lieferketten müssen in vielen Aspekten verbessert werden. Das betrifft nicht nur die Batterien, die oft im Zentrum der Debatte stehen. Die gesamte Energietechnik ist in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Nachhaltigkeit, aber auch Wirtschaftlichkeit zu optimieren.

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Seltene Erden sind das Nadelöhr bei der Hochskalierung von Elektromobilität. Forscher der Donau-Uni Krems wollen den Anteil dieser Elemente bei Magneten deutlich reduzieren.
Foto: AP / Peggy Greb

Neue Magnete durch KI

Einem ganz speziellen Aspekt der Automobiltechnik widmet sich ein neues Christian-Doppler-(CD-) Labor an der Donau-Universität Krems. Thomas Schrefl, Leiter des Zentrums für Modellierung und Simulation, arbeitet mit Kolleginnen und Kollegen sowie dem Wirtschaftspartner Toyota an der Optimierung der Magnete, die in den Elektromotoren der Fahrzeuge verbaut sind. Diese Bauteile bestehen zu hohen Anteilen aus seltenen Erden, deren günstige Verfügbarkeit mit der Hochskalierung der E-Auto-Produktionen fraglich ist. Im CD-Labor Magnet Design Through Physics Informed Machine Learning möchte man dank hochspezialisierter Rechenmodelle und künstlicher Intelligenz (KI) die Anteile dieser Elemente möglichst reduzieren.

"Heute werden im Bereich der Elektromobilität meist Neodym-Eisen-Bor-Magnete eingesetzt", sagt Laborleiter Schrefl. "Sie haben den Vorteil einer besonders hohen Leistungsdichte, sodass man mit geringerem Volumen und Gewicht auskommt, was für E-Autos wichtige Aspekte sind." Im Vergleich zu anderen Varianten sind Permanent-Magnet-Motoren – hier enthält der Rotor, der durch die umliegenden Spulen eines Elektromagneten angeregt wird, Permanentmagnete – gerade bei hohen Leistungen effizienter.

Das Metall Neodym hat vor allem in der Produktion von sehr starken Magneten – beispielsweise auch in Kernspintomografen – Bedeutung. Mehr als 90 Prozent des globalen Verbrauchs wird von China bedient, die Preise schwanken stark. Um den Bedarf in den Magneten der Elek tromotoren zu reduzieren, gibt es für Schrefl zwei Strategien: "Die eine Möglichkeit ist, die Zusammensetzung der Legierungen zu verändern und das Neodym zum Teil zu ersetzen. Eine andere dagegen ist, die Struktur der Magnete zu verändern – sowohl in kleinsten Mikro- und Nanobereichen als auch auf einer Makroebene der Bauteilgestaltung."

Günstigere Elemente

Diesen Strategien folgend, kann das Neodym in den Legierungen etwa zum Teil mit den günstigeren Elementen Cerium und Lanthan ersetzt werden, mit denen es oft auch gemeinsam vorkommt. Durch das Mischen mehrerer verschiedener Legierungen mit unterschiedlichem Neodym-Anteil kann die körnige Mikrostruktur der Magnete neu angeordnet werden. Zudem ist ein Aufbau mit günstiger gestaltetem Magnetkern und leistungsfähigerer Schale denkbar.

Das Problem ist nun, die Auswirkungen dieser Maßnahmen hinsichtlich der Magnetfunktion zu simulieren und optimale Varianten zu identifizieren. "Die mathematischen Methoden zur Simulation der Magnetfelder im Elektromotor sind sehr aufwendig – man kann sie mit den Methoden der Fluid Dynamics, die komplexe Strömungen in Flüssigkeiten oder Gasen abbilden, vergleichen", sagt Schrefl. Die magnetischen Kräfte im Motor müssen gut ausbalanciert sein: Größe, Leistung und Verhältnis des Permanentma gneten zum Magnetfeld des umgebenden Elektromagneten sollen perfekt aufeinander abgestimmt sein.

Anpassung an den Markt

Um diese hohen Rechenanforderungen besser bewältigen zu können, werden neue Methoden aus dem Bereich des Machine-Learning eingesetzt. Hier lernt das System, welche Auswirkungen eine Veränderung der Ausgangssituation hat, und schätzt ab, wie das Ergebnis aussehen wird. Kleine Einbußen bei der Genauigkeit lassen auf diese Art viel kürzere Rechenprozesse zu. Gleichzeitig werden Messdaten aus der Praxis eingebunden.

Ein Ziel der Forschungsarbeit ist, ein Werkzeug zu entwickeln, mit dem sich die Produktion in einfacher Weise an die Marktlage anpassen lässt. "Der Neodym-Preis ist in letzter Zeit wieder stark gestiegen. Hat man hier ein Tool, das jeweils auf Basis der aktuell günstig verfügbaren Elemente eine Zusammensetzung mit gleichbleibenden Eigenschaften garantieren kann, könnte man viel schneller auf die Preisentwicklungen reagieren", sagt der Forscher. Potenzial hätte diese Entwicklung zudem auch abseits von Mobilität und Elektromotor. Das Prinzip ließe sich auch auf die Ma gnete in Generatoren anwenden, etwa im Ausbau der Windkraft. (Alois Pumhösel, 31.3.2021)