Sie heißt Eyyûb Sultan und soll mit zwei 36 Meter hohen Minaretten eine der größten Moscheen Europas werden. Die Bauarbeiten in einem südlichen Gewerbeviertel von Straßburg begannen 2017, stocken aber seit Monaten wegen Geldmangels. Das Stadtparlament hat deshalb auf Antrag der grünen Bürgermeisterin Jeanne Barseghian einen Zuschuss von 2,5 Millionen Euro gewährt, was knapp zehn Prozent der Baukosten entspricht.

Die Baustelle der Eyyûb-Sultan-Moschee könnte noch für längere Zeit eine solche bleiben – und ein Politikum.
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Grundlage für den Beschluss bildet das elsässische Konkordat; andernorts in Frankreich wäre eine solche Mitfinanzierung wegen der strikten Religionsneutralität des Staates unmöglich. Die Subvention muss noch durch eine zweite Abstimmung bestätigt werden. Schon jetzt entbrennt aber eine hitzige Polemik, die weit über die Stadtgrenzen hinausgeht.

Vorwurf des "politischen Islam"

In Paris ruft Innenminister Gérald Darmanin zur allgemeinen Überraschung ein Verwaltungsgericht gegen den Subventionsentscheid an. Begründung: Der projekttragende Verein Millî Görüş vertrete einen "politischen Islam" und verweigere die Unterschrift unter die von der Regierung lancierte Islam-Charta zur Wahrung "republikanischer Prinzipien"; seine Machenschaften zeugten überdies von einer "ausländischen Einmischung". Der faktische Schirmherr von Millî Görüş, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, darf sich angesprochen fühlen.

Das Projekt für die 135.000 türkischsprachigen Einwohner der Großstadtraums Straßburg war jahrelang kaum umstritten gewesen. Jetzt wirft aber auch die Ministerin für Bürgerrechte, Marlène Schiappa, den Grünen vor, sie kollaborierten mit einem Verein – eben Millî Görüş –, der ähnlich radikalkonservativ, homophob und antirepublikanisch sei wie etwa die ägyptische Muslimbruderschaft. Nicht von ungefähr sei Erdoğan auch aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen ausgetreten.

Eher ungewöhnlich ergriff Staatspräsident Emmanuel Macron persönlich das Wort: Er bezeichnete Bürgermeisterin Barseghian ohne Namensnennung als "ein bisschen zu gefällig". Die Bemerkung resümiert in sich die jüngsten Vorwürfe gegen den "islamo-gauchisme", jene "Islam-Linke", die ungewollt oder nicht gemeinsame Sache mit radikalen Islamisten mache, wie Frankreichs Laizisten behaupten. Dass auch Macron die Grünen anvisiert, ist neu und dürfte mit der Präsidentschaftswahl von 2022 zu tun haben: Indem er Gegnern Naivität vorhält, präsentiert sich der amtierende Staatschef der rechten Wählerschaft als Alternative zur Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Klage wegen übler Nachrede

Die grüne Partei EELV nimmt die Vorwürfe allerdings nicht hin. Sie hat gegen Darmanin und Schiappa Klage wegen übler Nachrede eingereicht. Barseghian, deren Urgroßvater selber im armenischen Genozid umgekommen war, wendet sich gegen den Vorwurf der Gefälligkeit gegenüber den Bauherren der Moschee. Erst seit acht Monaten im Amt, verteidigt sie sich damit, die Staatssicherheit habe sie nie über allfällige Umtriebe von Millî Görüş informiert.

Barseghians Vize Jean Werlen erklärt zudem, Millî Görüş habe den Mord am Geschichtslehrer Samuel Paty im vergangenen Oktober in aller Klarheit verurteilt und "viel Solidarität" an den Tag gelegt. Von der Islam-Charta sei der Verein erst ganz am Schluss abgerückt, als Macron plötzlich noch ein Verbot der Subventionierung durch das Ausland eingefügt habe. Islamvereine müssten sich aber so finanzieren, weil der französische Staat aus Prinzip keine religiösen Instanzen unterstütze.

Die Nähe von Millî Görüş zur Staatsführung in Ankara können die Straßburger Grünen aber nicht in Abrede stellen. Die Hälfte der 300 ausländischen Imame in Frankreich stammt aus der Türkei, und von diesen 150 haben hundert den Status türkischer Beamter, die Erdoğan unterstehen.

Straßburg als Wahlkampfbühne

Die konservative Ex-Bürgermeisterin von Straßburg, Fabienne Keller, erzählte, wie verblüfft sie vor vier Jahren gewesen sei, als ein türkischer Vizepremierminister zur Grundsteinlegung von Eyyub Sultan nach Straßburg gereist sei. Unvergessen ist auch Erdoğans spektakulärer Wahlkampfauftritt von 2015 vor 12.000 Türken in "Strazburg", wie es auf den Begleitschildern hieß.

Macron ist mit dem türkischen Präsidenten bei mehreren internationalen Themen aneinandergeraten – so bei der Nato, beim Machtkampf in Libyen oder auch bei der Suche nach Bodenschätzen im Ostmittelmeer. Vergangene Woche attackierte er Erdoğan erneut frontal, als er in einem Interview erklärte, bei den nächsten französischen Präsidentschaftswahlen werde es "selbstverständlich Einmischungsversuche" seitens der Türkei geben. "Das steht jetzt schon fest; die Bedrohungen sind nicht einmal verdeckt", meinte er explizit an die Adresse Erdoğans.

Bis dahin übernimmt die neue Straßburger Moschee die Rolle des Zankapfels zwischen Macron und "Sultan Erdoğan", wie ihn der Franzose privat nennt. (Stefan Brändle, 1.4.2021)