Mit dem Wissen von heute erscheint vieles in anderem Licht – auch Ereignisse im größten österreichischen Industriekonzern, der OMV, und dortige Postenbesetzungen. Der Energiekonzern kommt auch in den jüngst bekannt gewordenen Chatprotokollen von Thomas Schmid vor, einst Generalsekretär im Finanzministerium und heute Öbag-Chef.

Die Angelegenheit spielt im März 2016, als die Republik mit ihrem OMV-Partner Ipic aus Abu Dhabi einen neuen Syndikatsvertrag aushandelte und es Bedarf an Aufsichtsratsumbesetzungen gab. Am 24. März 2016 legte Herbert Stepic, Ex-Chef der Raiffeisen Bank International (RBI) und mit Ermittlungen der Behörden konfrontiert, sein OMV-Aufsichtsratsmandat zurück. Wie es dazu kam, das kann man nun anhand von SMS vor allem zwischen Schmid und Harald Mahrer nachvollziehen.

Wollte einen raschen Wechsel im OMV-Aufsichtsrat: Harald Mahrer.
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Der heutige Präsident der Wirtschaftskammer saß im Nominierungskomitee der Öbib, zu der die staatliche OMV-Beteiligung ressortierte, das für die Nominierung von Aufsichtsratskandidaten für Staatsbeteiligungen zuständig war. Damals regierte eine SPÖ-ÖVP-Koalition, die Posten wurden aufgeteilt. Finanzminister und für die Öbib zuständig war Hans Jörg Schelling (ÖVP), Martha Oberndorfer war Öbib-Chefin.

Direkt an Mahrer wenden

Mitte März bat Schmid den Finanzminister, Mahrer möge die "Shortlist" für die OMV-Aufsichtsratskandidaten schicken, die Republik müsse die Ipic "unbedingt vorab informieren, man sollte denen das Gefühl geben, eingebunden zu sein, denen ist das extrem wichtig". Schmid solle sich direkt an Mahrer wenden, antwortete Schelling. Am 16. März schrieb Mahrer an Schmid: Er brauche demnächst "zumindest EINE Zurücklegung bei der OMV, damit ich rechtzeitig agieren kann. Stepic wäre super".

Schmid versprach, sich gleich darum zu kümmern. Für Mahrer war das "super", denn "dann kann ich ein tolles Paket für die Abus (Ipic, Anm.) schnüren". Mahrer riet Schmid zu Tempo und gab ihm ein Argumentarium mit: "Drückt ordentlich drauf und argumentiert mit dem Change auf beiden Syndikatsseiten ;)."

Rücktritt abgelehnt

Allerdings dürfte Schmid (auch) anders argumentiert haben. Er berief sich gegenüber Schelling auf die Info eines Sektionschefs im Finanzministerium zur Causa Stepic. Es werde "zu einer Anklage kommen, Oberndorfer bat ihn um Rücktritt (…). Er wird es uns nicht einfach machen." Tatsächlich lehnte Stepic am 21. März einen Rücktritt ab, was Schmid auch Mahrer wissen ließ, und er informierte ihn vom Stand der Ermittlungen (die Vorwürfe waren längst öffentlich bekannt, Stepic bestritt sie): "Der hat außerdem anhängiges Verfahren, und da schaut es nicht gut aus bei ihm …", er habe das im "off off off checken lassen". Mahrer: "Wenn das mit dem Verfahren stimmt, dann muss er !!!! (…) Dann entzieht ihm das Vertrauen der Republik."

Schmid schrieb damals an Mahrer: "Er dürfte jetzt zurücklegen."
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Schmid wirkte noch ein paar Mal auf Stepic ein, am 24. März war Stepic so weit. Schmid an Mahrer: "Er dürfte jetzt zurücklegen. Habe Boten mit Schreiben zu ihm geschickt. Er sagte mir zu, das zu unterschreiben." Schmid gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit Stepics Rücktritt der Weg frei werde für weitere Postenrochaden: "Wenn dem so ist, können wir das durchziehen. Aber Stessl (Staatssekretärin Sonja Steßl, SPÖ, saß auch im Nominierungskomitee, Anm.) soll dann auch das Draxler-Problem bereinigen", womit vielleicht der damalige OMV-Aufsichtsrat und einstige ÖBB-Chef Helmut Draxler gemeint war, der allerdings erst im Sommer 2019 aus dem Kontrollgremium ausschied.

"Wir halten das aus"

70 Minuten später war das Unternehmen "Stepic raus" vollendet. "Stepic zurückgetreten", meldete Schmid an Mahrer den Vollzug, was der mit einem "perfekt, lg h" quittierte. Schmid in einem Chat mit der Öbib-Chefin: "Der wird uns hassen und verfolgen. Wir halten das aus."

Das Verfahren gegen Stepic wurde übrigens eingestellt.

Was sagen die handelnden Personen heute dazu? Schmid und Stepic, der von den Hintergründen nichts wusste, nichts. Schelling meint, es habe seitens der Eigentümervertreter sicher ein Gespräch mit Stepic gegeben wegen der Ermittlungen und der Berichterstattung. Aber: "Was Mahrer und Schmid besprochen haben, weiß ich nicht."

Mahrer erklärt, dass man Fristen einhalten musste; hätte es nicht rechtzeitig Mandatsrücklegungen gegeben, hätte man bei den Neubesetzungen ein Jahr verloren. Mit Stepic seien die OMV-Eigentümer schon zuvor unzufrieden gewesen, etwa weil seine Sitzungsaktivitäten "gering" gewesen seien, und es habe eben das Thema Ermittlungen gegeben. "Aber er ist nicht gegangen." Wie Schmid da recherchierte (Stichwort: "off off off") und zum (falschen) Schluss kam, Stepic stehe eine Anklage bevor? Mahrer: "Das weiß ich nicht." (Renate Graber, 31.3.2021)