Immergrüne Altersrenitenz: Milton, Lewis, Britton.

Foto: All City Records

Erst einmal kriecht im Stück One Two von Elegiac, dieser musikalischen Unternehmung zweier alter Heroen der New-Wave-Zeit, Ted Milton mit genüsslich-sardonischer Stimme in dein Ohr. Der gnadenlose Saxofonist und dadaistisch mit ganzem Körpereinsatz agierende Vortragskünstler des Psychofunk-, Strafjazz- und Schredderpunk-Trios Blurt (My Mother Was a Friend of an Enemy of the People oder Live in Berlin von 1981) raunt ein dunkles böses Poem.

Es geht darin um einen Stalker, und irgendwie herrscht recht schnell eine ungute Gesamtatmosphäre. In den Sprechpausen zerlegt sich ein Freejazz-Gedächtnissaxofon in seine Einzelteile. Nein, es bricht aus dem harmonischen Gehege moderner Beschwichtigungsmusik aus und läuft Amok. Blödsinn, das Saxofon klingt jetzt wie das quietschende Windrad auf dem Bahnhof am Anfang von Spiel mir das Lied vom Tod. Ja, der Tod kommt auf ratternden Schienen.

Es klingt so, weil sich Ted Milton auf seinem Instrument gerade extrem zurückhält. Der Mann wird bald 80 und muss mit seiner Zerstörungskraft haushalten. Wenn man bei ihm, dem passionierten Lyriker und ehemaligen Puppenspieler, von Altersmilde spricht, reißt dir Ted Milton eine, dass du zehn Tage lang unter einem Schütteltrauma leidest. Lieber zerdehnt er oben auf der Kanzel die Worte wie ein Prediger, dem man für die Jause in der Sakristei einen Stechapfel mitgegeben hat.

Bockige Maschinen

Im Hintergrund lässt Graham Lewis von der zentralen britischen Punk- und Postpunkband Wire (Pink Flag, Chairs Missing, 154, erschienen zwischen 1977 und 1979) die Maschinen giftig bocken. Der 68-jährige grundiert dies mit einem Rhythmus, der an die Hochzeit des Trip-Hop und seines paranoiden Chefrauchers Tricky erinnert.

Elegiac - Topic

Abseits des liederlichen Götzendiensts geht es etwa im Track So Far ganz ohne Jazzhupe mit Minimalkomponist Michael Nyman und einem Streichersample ins "Break Beat Bordello". In Pelican House gefällt sich Milton als Tierfreund mit Hintergedanken. Das Stück startet als sehr abstrakt pochender Blues-stampfer und endet damit, dass die Pelikane laut musikalischer Begleitung zu Konservenfutter gestanzt werden. Mahlzeit.

Dieses sehr modern und kräftig ausgefallene Album von Elegiac wurde von Bandbaby und "forty-something" Sam Britton kuratiert. Er brachte mit seiner Jugend und Kenntnissen in heutiger Unterhaltungselektronik frischen Wind in die immergrüne Altersrenitenz. Man sagt es ungern, aber: Hier ist man froh, dass die Ruhensbestimmungen nicht eingehalten werden. (Christian Schachinger, 31.3.2021)