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Vor allem die Arbeitsbedingungen in den Lagerhallen des Unternehmens stehen immer wieder in Kritik.

Foto: reuters/stapleton

Amazon steht nach einem Schlagabtausch zwischen dem Unternehmen und mehreren US-Politikern aktuell in der Kritik. Zur Verteidigung der Firma sind auf dem sozialen Medium Twitter zahlreiche Accounts zum Vorschein getreten, die offenbar gefälscht sind. So hat Twitter bereits mehrere von ihnen gesperrt, und bei zumindest einem Konto hat Amazon bestätigt, dass es sich um einen Fake handelt – doch die Firma selbst heuert ebenso Mitarbeiter an, die für das Unternehmen auftreten. Viele von ihnen starten den Nutzernamen mit "AmazonFC". Wie eine Recherche der Plattform "The Intercept" nun offenlegt, sind diese Mitarbeiter des Unternehmens spezifisch darauf geschult worden, Kritik an den Arbeitsbedingungen mit "unverblümten" ("blunt") Antworten zu begegnen.

So liegen dem Investigativmedium interne Schulungsunterlagen des Konzerns vor, die beispielhaft vorlegen, wie Mitarbeiter bissig, aber humorvoll auf Postings reagieren sollen. Gesucht wurden daher vor allem Kandidaten mit "gutem Sinn für Humor". Intern werden sie als "Lagerhallenbotschafter" ("fulfillment center ambassador") bezeichnet. Gegenüber "The Intercept" gab eine Amazon-Sprecherin an, dass die Mitarbeiter selbst in Lagerhallen arbeiten würden und entschieden hätten, ihre Erlebnisse zu teilen. Die Initiative würde zeigen, wie es ist, dort zu arbeiten. Schon 2018 hatte die Firma zugegeben, dass Mitarbeiter dafür bezahlt würden, "ehrliche Fakten" über ihre Arbeit zu teilen.

Erstaunen

Den internen Dokumenten zufolge sollen sie auf Kommentare und Postings von Kunden, Influencern, aber auch Medien reagieren, die die Bedingungen in den Lagerhallen infrage stellen. Ihr Verhalten sorgte in den vergangenen Tagen allerdings für Erstaunen: So hatten Twitter-User in Zweifel gestellt, wie real einige Accounts sein könnten, die beispielsweise gefälschte Profilbilder zeigten.

Amazon hatte zuvor besonders scharf auf Kritik der US-Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren reagiert. Das Unternehmen schrieb etwa, dass man "der Bernie Sanders der Arbeitgeber" sei, aber das sei nicht richtig, "weil wir wirklich einen progressiven Arbeitsplatz anbieten". Weil Sanders Mitarbeitern des Unternehmens im Bundesstaat Alabama nahelegte, sich gewerkschaftlich zu organisieren und einen Mindestlohn von 15 Dollar forderte, schlug das Unternehmen zurück. Weil Sanders' Heimatbundesstaat Vermont nur einen Mindestlohn von 11,75 Dollar bietet, würde er "lieber in Alabama reden", als dort zu "handeln". Daraufhin sprachen sich Konten explizit gegen Gewerkschaften aus, etwa weil diese so kostenintensiv seien. Die Investigativplattform "Bellingcat" konnte bisher zumindest rund 60 derartige Accounts aufspüren.

Anweisungen, auf Kritik zu reagieren

In dem Dokument aus dem Jahr 2018 werden explizit Anweisungen gegeben, wie auf Kritik an den Arbeitsbedingungen, aber auch an Firmengründer Jeff Bezos, eingegangen werden soll. Als Beispiel wird etwa ein Interview von Bernie Sanders genannt, in welchem er über Depressionen von Mitarbeitern durch die belastende Arbeitssituation sprach. In dem Leitfaden antwortet ein "Botschafter", dass er sich durch den Job nie schlecht gefühlt habe. "Wenn ihr einen Job habt, bei dem ihr euch schlecht fühlt, könnt ihr kündigen", schreibt er. Attackiert Sanders Bezos aufgrund seines Reichtums, antwortet man beispielhaft, dass jeder "das Geld, dass er oder sie verdient oder gespart hat, genießen" dürfe. Es sei ihres. "Man sollte damit machen können, was man will. Das schließt Jeff Bezos mit ein." Auf Medienanfragen oder detailliertere Fragestellungen dürfe nicht eingegangen werden. In dem Dokument wird auch empfohlen, eher neuere Mitarbeiter anzuheuern, da diese "sehr passioniert" und effektiv sein könnten. (muz, 31.3.2021)