Die Spanische Treppe im Zentrum Roms ist an normalen Tagen ein Touristenmagnet – nun wirkt sie beinahe surreal.

Foto: Dominik Straub

Die Absperrgitter, die die Besucher in geordneten Bahnen in Richtung der Kassen der Vatikanischen Museen leiten sollen, sind noch da – akkurat aufgestellt, aber völlig unnütz: Die Museen mit den weltberühmten Stanzen des Raffael und der Sixtinischen Kapelle sind wieder geschlossen, seit Rom, die Hauptstadtregion Latium und auch ein großer Teil des restlichen Italiens von der Regierung Mitte März wieder zur "roten Zone", höchste Gefahrenstufe, deklariert wurden. Vor dem Eingang der Museen stehen etwas verloren ein Museumswächter und ein "vigile", ein Römer Stadtpolizist. Der "vigile", ein freundlicher älterer Herr, zuckt mit den Schultern: "Normalerweise stehen sich hier in dieser Jahreszeit tausende Menschen die Füße in den Bauch – jetzt ist weit und breit kein Tourist zu sehen."

Die Museen gehören zu den wichtigsten Finanzierungsquellen des Vatikans; die Pandemie hat die Einnahmen einbrechen lassen und im vergangenen Jahr in der Vatikankasse zu einem Defizit von rund 50 Millionen Euro geführt. Um eine heilige Pleite zu verhindern und die bestehenden Arbeitsplätze im Kirchenstaat zu sichern, sah sich Papst Franziskus letzte Woche zu einer unpopulären Sparmaßnahme gezwungen: Er kürzte den Kardinälen, den Kurienchefs und zahlreichen anderen leitenden Angestellten der Vatikanstadt und des Heiligen Stuhls die Gehälter.

Schwacher Trost

Dass auch zahlreiche Prälaten und Spitzenbeamte des Vatikans den Gürtel enger schnallen müssen, ist für den "barista" (Barmann) Giuseppe Masili ein schwacher Trost. Das beliebte Caffè Leonina an der gleichnamigen Piazza zwischen dem Borgo-Viertel und dem Vatikan-Eingang Porta Anna, in dem der 47-Jährige arbeitet, ist als eines der wenigen in der Stadt geöffnet – der Verkauf eines Espressos in einem Plastikbecher oder eines Cornetto-Kipferls über die Gasse ist auch im Lockdown erlaubt. Aber der Andrang der Kundschaft ist überschaubar: "Wir haben derzeit Tageseinnahmen von 100 bis 200 Euro – an normalen Ostern sind es 4.000 bis 5.000 Euro täglich", sagt Masili.

Praktisch menschenleer ist auch die Via della Conciliazione, die vom Tiber zum Petersplatz führt, und auch die prächtige, von den Säulen Berninis gesäumte Piazza vor der Petersbasilika selbst ist verwaist – in den Tagen vor Ostern ein beinahe unwirkliches Bild. Rund um die Piazza liegen Bettler und Obdachlose in den Hauseingängen; ein traumatisierter Bootsflüchtling ruft unentwegt und monoton: "Das Meer ist ruhig, das Meer ist ruhig, halleluja!" In der sonst herrschenden Stille hallt sein Ruf über den ganzen, riesigen Petersplatz. Die Obdachlosen sind natürlich nicht nur während des Lockdowns hier, Papst Franziskus – der heuer selbst nur in kleinem Kreis das höchste Christenfest feiern kann – hat für sie hinter den Bernini-Kollonaden vor ein paar Jahren eigens Dusch- und Toilettenanlagen einrichten lassen. Aber normalerweise nimmt man die Ärmsten der Armen in den Touristen- und Pilgermassen kaum wahr. Die Pandemie hat sie sichtbar gemacht, in der ganzen Stadt.

Nicht überall in Rom ist es so leer wie beim Vatikan und im historischen Zentrum: In den Wohnquartieren merkt man wenig von der roten Zone. Die Lebensmittelläden, Apotheken und "tabacchi" sind geöffnet, die Straßen belebt, in den Stoßzeiten am Morgen und am Feierabend kommt es zuweilen auch zu einem Stau. Das Leben nimmt beinahe seinen gewohnten Gang. Die Leere im historischen Stadtzentrum liegt daran, dass dort kaum noch Römer wohnen: Sie sind durch astronomische Wohnungspreise und Wuchermieten in den letzten Jahren an die Ränder der Stadt vertrieben worden. Die Pandemie hat auch diese demografische Verarmung auf brutale Art sichtbar gemacht.

Winzige Vorteile

Die Abwesenheit der Touristen und Pilger, die Leere und die Stille haben natürlich auch ihren ganz besonderen Reiz. Der Finanzbeamte Massimo Malusardi hat am Palmsonntag die Gelegenheit dazu genutzt, vom Balduina-Quartier mit dem Bus ins Zentrum zu fahren, um mit seiner Frau Elvira und den beiden schulpflichtigen Söhnen zwischen dem Pantheon, der Piazza Navona und dem kürzlich wiedereröffneten Augustus-Mausoleum einen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen. "Alle diese wunderbaren Monumente und Palazzi einmal nur für sich zu haben, das ist schon einzigartig: Wir fühlen uns ein wenig wie die Könige von Rom", betont Massimo. Aber das sei auch gleich das einzig Gute am Lockdown: "Ich bin im Homeoffice, habe etliche Kilos zugelegt – und die 'ragazzi' haben Fernunterricht. Die Isolation im Alltag macht uns allen zu schaffen."

Wann Rom und das übrige Italien endlich wieder ins normale Leben zurückkehren werden, weiß derzeit niemand. Über 100.000 Covid-Tote in Italien seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr sind eine deutliche Warnung. "Es wird wohl Herbst werden, bis sich hier – vielleicht – wieder Menschenschlangen bilden werden", sagte der "vigile" am Eingang der Vatikanischen Museen. (Dominik Straub aus Rom, 1.4.2021)