Premier Bojko Borissow von der GERB dürfte im Amt bleiben. Erst vergangene Woche war er in Wien zu Besuch.

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Hinter ihm leuchten die goldfarbenen Dächer der Alexander-Nevski-Kathedrale, ein paar Frauen verkaufen Ostereier und Ikonen, die Sonne treibt die Menschen in die Parks. Doch Dejan L. ist hoffnungslos und misstrauisch, wenn es um die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag geht. "Dieser Staat ist so korrupt, dass man ihn einfach nicht reformieren kann", glaubt der IT-Fachmann, der in der Innenstadt von Sofia auf ein Taxi wartet.

Die bulgarische Gesellschaft leidet unter einer kollektiven Depression. Viele Menschen trauen weder den Politikern noch den Medien noch der Justiz. Das System scheint ihnen undurchschaubar und unterwandert von Leuten, die ihre privaten Interessen durchsetzen können. Tatsächlich spielen Oligarchen nach wie vor eine große Rolle, obwohl sie diesmal die Öffentlichkeit scheuen.

So tritt der wohl einflussreichste "Businessmann", Deljan Slavtschev Peevski, am Sonntag nicht mehr selbst mit seiner Partei an, dafür kandidiert der Ex-Glücksspielkönig Vasil Boškov, der sich wegen Steuerbetrugs abgesetzt hat, nun aus Dubai. Der Schlagersänger Slavi Trifonov, der erstmals antritt, dürfte auf etwa 13 Prozent kommen.

GERB führt in Umfragen

Analysiert man die Umfragen, so wird sich aber trotzdem nicht viel ändern. Denn die konservative Klientelpartei GERB unter Premier Bojko Borissow liegt weiterhin mit etwa 27 Prozent an erster Stelle, ein paar Punkte vor den Sozialisten. Borissow ist nicht unbedingt populär, aber viele Bulgaren trauen ihm noch am ehesten zu, den Job machen zu können – im Sommer wird er der längstdienende Regierungschef des Landes werden.

Der Premier verfügt über eine gut geölte Parteimaschine und verkauft sich als einer, der EU-Geld ins Land bringt. Wenn eine Brücke in einem Dorf eröffnet wird, dann inszeniert Borissow den Event so da, als habe er nach Gutsherrenart selbst das Geld dafür zur Verfügung gestellt.

Sicher ist, dass er Koalitionspartner brauchen wird. Die Proteste gegen Korruption und für mehr Rechtsstaatlichkeit im Sommer vergangenen Jahres waren von einer urbanen Elite getragen, die sich nun hinter dem Bündnis "Demokratisches Bulgarien" (DB) von Hristo Ivanov sammelt, welches aber nur auf ein paar Prozent kommen wird.

Unklar ist, ob die DB mit der GERB koalieren wird. Zuletzt arbeitete Borissow mit den rechten "Vereinigten Patrioten" zusammen. Wenn diese Koalition fortgesetzt wird, wird Bulgarien sein Veto gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien sicherlich nicht aufgeben. Viele Bürger erwarten sich gar keinen Wandel mehr.

Enkel entscheiden

Die 64-jährige Evgenia R., die auf dem Vitoša-Boulevard, der "Mariahilfer Straße von Sofia", flaniert, meint: "In meinem Leben wird sich nicht mehr viel ändern. Also frage ich meine Enkel, welche Partei ich am Sonntag ankreuzen soll." (Adelheid Wölfl aus Sofia, 1.4.2021)