Leoben – Es besteht kein Zweifel, der Baum ist tot. Löcher im Stamm, rot verfärbte Nadeln, abfallende Rinde: All das sind klare Zeichen dafür, dass der Borkenkäfer gewonnen hat. Zwar bleibt der Anblick traurig, für Land- und Forstwirte ist er dennoch zur Gewohnheit geworden. Nehmen Nadeln oder Blätter einmal einen Rotstich an, ist es oft schon zu spät, und der Baum muss möglichst schnell raus aus dem Wald. An diesem Zeitpunkt-Problem setzt das steirische Start-up Festmeter an und möchte es von der Luft aus beheben.

"Es zeichnet sich zuerst in der Krone ab, wenn ein Schädling im Baum ist", sagt Festmeter-Mitgründer Kurt Wöls. "Man weiß schon lange, dass Infrarotkameras früher als das menschliche Auge erkennen, wenn ein Baum nicht mehr grün ist." Wöls kennt das Käferproblem aus der Praxis. Der promovierte Maschinenbauer lebte in Graz, als er den elterlichen Wald in der Obersteiermark erbte. Dort sollte er folglich seine Wochenenden verbringen. So hat eines zum anderen geführt, Wöls montierte 2014 erstmals Kameras auf Drohnen und überflog seinen Wald. Zwei Entwicklungsjahre später wurde Festmeter gegründet.

Der Albtraum für Land- und Forstwirte – Borkenkäfer haben bei zahlreichen Bäumen die Leitungen gekappt.
Foto: APA/dpa/Patrick Seeger

Drohnen und Flugzeuge

Mit Drohnen und bemannten Ultraleichtflugzeugen analysiert Festmeter heute Waldflächen beliebiger Größe. Die Drohne schafft etwa 300 Hektar pro Tag, das Flugzeug bis zu 30.000 Hektar. Ausgewertet wird das Bildmaterial von einer auf Vitalitätswerte eines Baumes trainierten künstliche Intelligenz (KI). In einer App scheint auf, welche Bäume zur Risikogruppe gehören. Wie bei Google Maps kann man zu ihnen hinnavigieren. Die Drohnenbilder sind Wöls' Angaben zufolge bis auf zehn Zentimeter genau.

Nach drei bis vier Wochen gibt es einen Kontrollflug mit denselben Einstellungen. "Leuchten die Wackelkandidaten noch mal auf, muss man sich das genauer ansehen", sagt Wöls. In einem zweiten Schritt würden die möglicherweise befallenen Bäume mit ihrer Umgebung verglichen, woraus sich viel ablesen lasse. 24 Stunden dauert die Analyse für eine Fläche mit 70 Hektar, was etwa der Größe von 100 Fußballfeldern entspricht.

Rund 120 Meter fliegt die Drohne über dem Boden und schießt bis auf zehn Zentimeter genaue Fotos.
Foto: Danzer

Preisproblem und Lösung aus dem All

Mit 15 Euro pro Hektar bei großen Projekten und bis zu 30 bei kleineren kommen auf Waldbesitzer schnell einmal hohe Kosten zu. "Der Umsatz ist im niedrigen sechsstelligen Bereich, die Zahlen aber immer noch rot", sagt der Holzvermarkter und zweite Gründer Bernd Cresnar. Satellitenbilder sollen das Preisproblem lösen. "Satellitenbilder sind zwar ungenauer, aber wesentlich günstiger. Die Idee ist, aus dem All die Hotspots zu erkennen und am Boden die Details zu klären."

Um diesen Entwicklungsschritt weiter auszubauen, bekam Festmeter von der staatlichen Förderbank AWS finanzielle Unterstützung. Die Bank begleitet im Rahmen des "Vertrauenswürdige KI"-Programms Unternehmen für acht bis zwölf Monate. Die Förderhöhe beläuft sich unternehmensunabhängig auf maximal 200.000 Euro. Was heißt vertrauenswürdig? Man orientiert sich bei der AWS an den ethischen Leitlinien der EU. Bis 22. April läuft noch die Bewerbungsfrist für die nächste Runde.

Möglicher Kunde als Konkurrent

Aktuell beschäftigt Festmeter sieben Personen, der Firmensitz befindet sich im steirischen Leoben. "Wir haben Projekte in der Dach-Region und vereinzelt in Skandinavien", sagt Cresnar. Der Festmeter-Hauptkunde kommt mit den Bayerischen Staatsforsten aus Deutschland. Zwischenzeitlich stand das Start-up kurz vor dem Bankrott, Cresnar zufolge hat nur der Umstieg auf die KI die Firma gerettet. "Die Software lernt und entwickelt sich weiter, das war bei unseren alten Algorithmen nicht der Fall." Die Trefferquote sei damals mehr zur Lotterie geworden. Momentan liege man bei 80 Prozent, und 100 seien sowieso unmöglich, man befinde sich schließlich in der Natur.

Für 70 Hektar sammelt Festmeter rund 14 Gigabyte an Daten – ausgegeben werden die Koordinaten der potenziell gefährdeten Bäume in Kilobyte.
Foto: Festmeter

Nicht selten behaupten heimische Waldbesitzer salopp, jeden Baum im eigenen Wald zu kennen. Wie sehr das praktisch möglich ist, sei dahingestellt. Festmeter will aber ohnehin jene ansprechen, die viel Fläche oder zu wenig Zeit haben. "Im Wald ist die Digitalisierung noch nicht wirklich angekommen", meinen die Gründer. Förster würden sich oft rein aus Prinzip gegen die Idee wehren. "Eine gewisse Angst, den Job an das Smartphone zu verlieren, ist verständlich. Aber es wird immer den Menschen brauchen, der den Baum umschneidet, abtransportiert oder einen Fehler der Maschine erkennt", sagt Cresnar.

Bis zur Baumgrenze

Vor 25 Jahren hieß es noch, dass es Borkenkäfer nur bis etwa 800 Meter über dem Meeresspiegel gibt. Heute weiß man, dass er sich bereits bis zur Baumgrenze ausgebreitet hat. Wöls und Cresnar verfolgen die Veränderungen, bedingt durch den Klimawandel, mit Sorge. "Der Wandel lässt sich nicht wegdiskutieren, man muss nur die Augen aufmachen. Fehlt die Feuchtigkeit, stärkt das den Käfer." Früher habe man einen Käferbaum einfach stehen gelassen, ein gesunder Wald halte das aus.

Ein Borkenkäfer-Männchen nistet sich in der Baumrinde ein und "ruft" die Weibchen. In der sogenannten Rammelkammer vermehren sie sich schnell.
Foto: APA/dpa/Lino Mirgeler

Heute geht das nicht mehr. Nach acht Wochen schwärmt eine zweite Generation von Käfern aus und befällt umliegende Bäume. Die Entwicklung wird schnell exponentiell. In der heißen Jahreszeit brauchen Borkenkäfer acht Wochen, um Schaden anzurichten – so groß ist das Zeitfenster für Festmeter. (Andreas Danzer, 2.4.2021)