In Berlin kommt es seit Jahren immer wieder zu Protesten von Mieterinnen und Mietern. Am 27. März, dem Housing Action Day, war es wieder einmal so weit.

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In Österreich hat man davon kaum etwas mitbekommen, doch am 27. März war der europaweite Housing Action Day. In rund 25 deutschen Städten gab es Demos und Kundgebungen diverser Initiativen. "Wohnungen für alle!", "Mieten senken – Gewinne umverteilen!", "Wohnungskonzerne vergesellschaften!", so lauteten die Forderungen. In Berlin beteiligten sich etwa 2000 Menschen an einer Demo. "Mietenwahnsinn", "Mieten Stopp!" stand auf Schildern.

Volksbegehren läuft

Vergesellschaftung, Berlin – war da nicht was? Richtig. In Berlin kämpft eine Gruppe überzeugter Aktivisten schon seit Jahren dafür, dass die Stadt große Wohnungsbestände, die vor Jahrzehnten privatisiert wurden, per Enteignung vom privaten wieder ins öffentliche Eigentum transferiert. Ein Volksbegehren startete Ende Februar in die zweite Stufe, die Initiatoren haben nun bis 25. Juni Zeit, um Unterschriften zu sammeln. Rund 175.000 davon wären nötig, damit es zu einem Volksentscheid kommt.

Wie viel Geld es kosten würde, um etwa 240.000 Mietwohnungen zurückzukaufen, ist unklar. Die Bürgerinitiative geht von bis zu 13 Milliarden aus, im Senat schätzte man bis zu 36 Milliarden Euro. Jedenfalls sollten alle Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen "vergesellschaftet" werden, um den Anstieg der Mieten zu stoppen, so ist der Plan.

Mietendeckel sitzt

Mieten stoppen in Berlin – Moment, war da nicht noch was anderes? Auch richtig, seit Februar 2020 ist dort ein "Mietendeckel" in Kraft. Das Ifo-Institut überprüfte kürzlich, wie er sich bisher ausgewirkt hat.

Die Studie lässt keinen Zweifel daran, dass der Mietendeckel den Berliner Wohnungsmarkt verändert hat. Es kam zu einer "Zweiteilung", schreiben die Autoren. Im regulierten Segment (der Deckel gilt für alle privaten/gewerblichen, vor 2014 fertiggestellten Wohnungen) gab es schon seit dem Zeitpunkt der Ankündigung des Preisdeckels im zweiten Quartal 2019 Preisrückgänge, und auch nach Inkrafttreten per 23. Februar 2020 ging es zunächst noch leicht zurück. Seit ca. Mitte 2020 geht die Kurve aber moderat nach oben. Interessant ist der Vergleich mit 13 anderen deutschen Großstädten: Da fielen die Verteuerungen in Berlin seit dem ersten Quartal 2020 um 60 Prozentpunkte geringer aus.

Im nichtregulierten Segment sieht es dafür anders aus. Dort stiegen die Mieten schon ab dem Zeitpunkt der Ankündigung des Mietendeckels weitaus stärker als in anderen Großstädten (in den letzten drei Quartalen 2020 lag die Wachstumsrate im Schnitt um fünf Prozentpunkte höher) und auch stärker als in den drei Jahren davor.

Mietangebot ging zurück

Der Mietendeckel habe zudem das Angebot an Mietwohnungen drastisch reduziert, berichten die Autoren der Ifo-Studie anhand von Daten einer Immo-Plattform. Die Zahl der Mietannoncen im regulierten Segment ging da stark zurück, das Angebot im unregulierten Segment hingegen zog spürbar an.

Die Auswirkungen auf den Mieten-Markt sind allerdings das eine; sehr interessant ist auch, wie sich der Mietendeckel auf den Kauf-Markt ausgewirkt hat. Hier hatten die Autoren einen Datensatz zur Verfügung, der 118.000 Eigentumswohnungen in den 14 größten Städten Deutschlands enthielt. Und zwar solche, die zwischen Jänner 2017 und Februar 2021 verkauft wurden.

Dabei zeigte sich, dass das Preiswachstum im regulierten Segment in Berlin deutlich geringer ausfiel als bei vergleichbaren Wohnungen in den anderen Großstädten, konkret um neun Prozentpunkte bis Februar 2021. Doch das unregulierte Segment legte auch hier stärker zu als in anderen Städten, um bis zu 7,5 Prozentpunkte im vierten Quartal 2020.

Der Mietendeckel wurde auf fünf Jahre befristet. Doch schon im Juni entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht, ob er verfassungswidrig ist oder nicht. Im ersten Fall drohen vielen Mietern hohe Nachzahlungen, denn in vielen Mietverträgen stehen "Schattenmieten" drin, die dann (auch rückwirkend) zu zahlen wären.

Wahlen stehen bevor

Im Juni endet andererseits auch das Berliner Volksbegehren. Schon die nächsten Wochen werden also "entscheidend sein", um Rudolf Anschober zu zitieren. Und am 26. September ist Bundestagswahl in Deutschland (und am selben Tag möglicherweise auch der Volksentscheid in Berlin, so es dazu kommt). Ein paar Details aus Wahlprogrammen von Grünen und SPD sind schon bekannt. Da stehen etwa ein bundesweiter Mietendeckel (Grüne) und eine unbefristete Mietpreisbremse (SPD) drin, außerdem die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit (beide). Sehr vieles im Fluss also ... an der Spree. (Martin Putschögl, 3.4.2021)