Wird der Impfstoff Sputnik V demnächst auch nach Österreich verfrachtet?

APA / AFP / FEDERICO PARRA

Frage: Warum heißt der russische Impfstoff Sputnik V? Und wofür steht eigentlich das V?

Antwort: Sputnik 1 war der Name des weltweit ersten gestarteten Satelliten, mit dem die Sowjetunion 1957 die westliche Welt schockierte. Darauf spielt der erste Teil des Impfstoffnamens an. Russland gab den Impfstoff bereits Mitte August 2020 als weltweit ersten Coronavirus-Impfstoff für eine breite Anwendung in der Bevölkerung frei – ohne dass eine eigentlich nötige Phase-3-Studie abgeschlossen war. Das V steht für Victory, entsprechend kann man das V entweder als Vau oder Vi aussprechen. Der Name ist Programm und macht kein Hehl daraus, dass es in allen Fragen rund um Sputnik V auch um Impfstoffpropaganda und -politik geht.

Frage: Wie funktioniert der Impfstoff?

Antwort: Sputnik V ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, ähnlich wie die Vakzine von Astra Zeneca und Johnson & Johnson. Als Vektoren werden harmlose Erkältungsviren dafür verwendet, die genetische Information über das Oberflächeneiweiß von Sars-CoV-2 in die Körperzellen einzuschleusen. Das Immunsystem erkennt es als fremd und bildet Antikörper gegen Sars-CoV-2. Das Besondere an Sputnik V ist, dass man für die erste und zweite Impfung zwei verschiedene menschliche Erkältungsviren verwendet, was die Wirkung erhöht, weil die Abwehrreaktion gegen das Trägervirus bei der zweiten Impfung minimiert wird – was wiederum die Abwehrreaktion gegen Sars-CoV-2 erhöht.

Frage: Wie wirksam schützt Sputnik V vor Covid-19?

Antwort: Laut den Anfang Februar im Fachjournal "The Lancet" publizierten Daten der Phase-3-Studie liegt die Wirksamkeit bei 91,6 Prozent. Das bedeutet, dass in der Gruppe der Geimpften 91,6 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als in der Kontrollgruppe. Bei den RNA-Impfstoffen liegt dieser Wert noch etwas höher, bei Astra Zeneca laut der aktuellsten Studie mit rund 76 Prozent niedriger. Das Problem der russischen Studie ist allerdings, dass es hinsichtlich der Effektivitätsdaten relativ wenig Transparenz gibt.

Frage: Gilt das auch für die Sicherheit?

Antwort: Ja. Auch in Russland selbst, wo der Impfstoff bereits nach der Phase-2-Studie im August zugelassen wurde, beklagt man diese Intransparenz. Was für die Sicherheit von Sputnik V spricht, ist sein Einsatz in vielen Ländern. Allerdings sind etwa auch beim Impfstoff von Astra Zeneca die möglichen seltenen Blutgerinnungsstörungen erst aufgefallen, nachdem bereits Millionen Dosen verimpft worden waren.

Impfstoffexperte Florian Krammer beantwortet die Frage, ob Österreich Sputnik V bestellen soll
DER STANDARD

Frage: Wo ist Sputnik V schon im Einsatz?

Antwort: Der Impfstoff ist bereits in 56 Ländern zumindest zugelassen und zum Teil schon im Einsatz, etwa in Ungarn, Serbien, in Staaten in Afrika, Mittel- und Südamerika sowie Asien. Einzelne EU-Länder wie Tschechien und die Slowakei haben sogenannte Notfallzulassungen erlassen, was bedeutet, dass im Schadensfall nicht der Hersteller, sondern der Staat haftet. Noch ist kein "westliches" Land darunter.

Frage: Wie sieht es mit dem Einsatz von Sputnik V in Russland selbst aus?

Antwort: Der Regierung in Moskau zufolge sind bisher erst fünf Millionen Russen geimpft, gerade einmal 3,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Staaten sehr wenig – vor allem angesichts dessen, dass Russland neben Sputnik V noch zwei weitere Coronavirus-Impfstoffe entwickelt hat. Zuletzt hatte Russlands Gesundheitsminister Michail Muraschko eine Herdenimmunität in der russischen Bevölkerung bis Ende Juli angekündigt. Wie das gelingen soll, ist unklar. Umfragen zufolge gibt es eine massiv verbreitete Impfskepsis in der russischen Bevölkerung. Nur 30 Prozent sind derzeit bereit, sich Sputnik V spritzen zu lassen, wie kürzlich eine weitere Umfrage ergab. Als Hauptgründe wurden Angst vor Nebenwirkungen und nicht vollständig abgeschlossene klinische Studien genannt.

Frage: Ging wenigstens Präsident Wladimir Putin als gutes Beispiel voran?

Antwort: Nein, Putin ließ sich mehr als ein halbes Jahr seit der Sputnik-Zulassung Zeit, ehe er sich – angeblich – das erste Mal impfen ließ. Am 23. März 2021 bekam er nach Kreml-Angaben die erste von zwei Dosen. Dabei zeigte sich Putin auffällig kamerascheu, Aufnahmen gibt es nicht. Unklar ist zudem, mit welchem der drei von russischen Forschern entwickelten Präparate er sich impfen ließ.

Frage: Warum hat Russland allem Anschein nach ein größeres Interesse daran, Sputnik V zu exportieren, als den Impfstoff in Russland selbst zu verimpfen?

Antwort: Russland will damit einerseits sein politisches Image in anderen Staaten und insbesondere im Westen verbessern. Zum anderen geht es um nicht ganz wenig Geld: Der Preis für eine Dosis wurde zuletzt mit etwas unter einem US-Dollar angegeben. Ausgehend von diesem Preis könnte sich der mögliche Gesamtumsatz mit dem Impfstoff auf schätzungsweise 24 Milliarden US-Dollar belaufen, wie die Moskauer Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" ausgerechnet hat.

Frage: Was ist der Stand beim Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)?

Antwort: Die EMA hat am 4. März das sogenannte Rolling Review gestartet, also das laufende Prüfverfahren. Dabei werden kontinuierlich neu einlangende Daten überprüft. Welche zusätzlichen Sicherheitsdaten die EMA von Russland diesbezüglich schon erhalten hat, ist unklar. Im April wird eine Delegation zur weiteren Prüfung nach Russland reisen. Offiziell heißt es von der EMA, dass dieses Verfahren erst abgeschlossen ist, wenn ausreichend Evidenz für einen formalen Zulassungsantrag vorhanden ist. Insider rechnen damit eher nicht vor Juni.

Frage: Ist ein österreichischer Alleingang vor der EMA-Zulassung denkbar?

Antwort: Er wäre theoretisch möglich. Nächste Woche soll über die Lieferung von einer Million Dosen Sputnik V verhandelt werden, die erste Tranche soll bereits im April, die letzte im Juni erfolgen. Aber die große Frage ist die Zulassung. Man darf bezweifeln, dass der Impfstoff von den zuständigen österreichischen Behörden (dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen und der Medizinmarktaufsicht) auf die Schnelle vor der EMA geprüft wird. Aus dem Bundeskanzleramt war bisher nicht zu erfahren, ob Österreich eine Notzulassung erwägt. Sollte das Vakzin hier allerdings tatsächlich im Alleingang zugelassen werden, könnte Österreich zum Türöffner für die russische Impfstoffpolitik in den Westen werden.

Frage: Verhandeln noch andere EU-Länder mit Moskau über Sputnik V?

Antwort: Ja. Zu Beginn der Woche liefen die Drähte zwischen Moskau, Berlin und Paris heiß: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin höchstpersönlich über eine mögliche Zusammenarbeit bei Impfstoffen gesprochen. Nach Kreml-Angaben wurden in dem Videotelefonat unter anderem Perspektiven "möglicher Lieferungen und der gemeinsamen Produktion von Sputnik V in EU-Ländern" diskutiert.

Frage: Würden sich Österreicherinnen und Österreicher überhaupt mit Sputnik V impfen lassen?

Antwort: Eine Umfrage von Sozialwissenschafterinnen und -wissenschaftern der Universität Wien fiel diesbezüglich ambivalent positiv aus. Von den über 1.500 Teilnehmern (Befragungszeitraum 12. bis 19. März) wollten sich 23 Prozent auf keinen Fall und 13 Prozent eher nicht mit dem russischen Produkt impfen lassen. Zum Vergleich: Bei Astra Zenecas Impfstoff war die Ablehnungsquote (40 Prozent "auf keinen Fall"; 17 Prozent "eher nicht") deutlich höher, bei den anderen drei zugelassenen Impfstoffen aber deutlich geringer. (Klaus Taschwer, Florian Niederndorfer, 1.4.2021)