Die Wiener Künstlerin Billi Thanner gibt dem Stephansdom Hoffnung. Daneben Sponsorin Ursula Simacek und Dompfarrer Toni Faber.

Foto: Jenni Koller

Der Erwin Wurm'sche Thermophor vor dem Singertor des Stephansdoms bekommt Konkurrenz. Wobei Konkurrenz, wenn es um christliche Werte und das Erwärmen von Herzen geht, vielleicht der falsche Begriff ist. Sagen wir einfach, es gibt jetzt noch mehr Domkunst.

Die Himmelsleiter der 1972 geborenen Wiener Künstlerin Billi Thanner, die in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag an der Spitze des Südturms erstrahlen soll, will als Symbol der Hoffnung verstanden werden. Sie nimmt ihren Ausgang mit 21 Sprossen im Inneren bei der Taufkapelle, durchstößt dann himmelfahrtsartig das Gewölbe und strebt dann mit 33 Sprossen rasant zur Spitze des Turms. Dort wird sie bis 31. Mai leuchten.

"The sky is the limit", heißt es so schön: Thanners Himmelsleiter bei der Generalprobe.
Foto: Jenni Koller

Niederschwellig bis zum Himmel

Bezogen auf Billi Thanner könnte man die Leiter aber auch als Karriereleiter deuten. Vielleicht hatte die als gute Netzwerkerin bekannte Künstlerin gar einen 33-Stufen-Plan? Ursula Simacek finanzierte die Leiter jedenfalls im Rahmen des Visionary-Projekts der Simacek Facility Management Group, das längerfristig Projekte aus den Bereichen Kunst und Kultur, Architektur und Gesundheitswesen unterstützen will.

Alle Tage kommt es wirklich nicht vor, dass Künstlerinnen und Künstler eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt bespielen dürfen und damit eine so starke Präsenz im öffentlichen Raum erhalten.

Seit den 1990er-Jahren arbeitet die in Wien geborene Tochter einer Kroatin und eines Deutschen als bildende Künstlerin, gerne interdisziplinär, gerne aktionistisch. Sie nennt es Interaktionismus. Auf den ersten Blick wirkt Thanners Kunst, auch wenn sie bis in den Himmel reicht, recht niederschwellig bis dekorativ. In ihren Arbeiten befasst sie sich kritisch bis aktivistisch mit gesellschaftspolitischen Themen wie maßlosem Konsum oder Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft, aber auch Gender.

Einleuchtende Wahl

In einer Ausstellung 2016 im Museum of Contemporary Art Beijing unter dem Titel No Air, No Art thematisierte sie das weltweite Smogproblem. Ihre "Kunstviren", die sie bereits 2007 erdachte und gerade in Thalheim bei Wels zeigt, passen gut zum Zeitgeist. Die harmlos wirkenden Skulptürchen sollen den Betrachter befallen und zum Hinterfragen von Pseudokunst anregen. Thanners Kunst ist jedenfalls zugänglich und – zumindest im Fall der Leiter – ästhetisch. Für die hoffnungsvolle Botschaft, die transportiert werden soll, ist das eine einleuchtende Wahl. (Amira Ben Saoud, 2.4.2021)