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Einst gab es den Sager "Feind, Todfeind, Parteifreund". Heute ist dieser zynische Spruch überholt. Neue Enthüllungen beweisen, dass in der Politik keineswegs nur das Jeder-gegen-jeden-Prinzip herrscht, sondern vielmehr Sympathie, Vertraulichkeit und wechselseitige Fürsorge. Gut so!

So ist man etwa versucht, die innerparteilichen türkisen Beziehungen nicht mehr nur familiär zu nennen, sondern geradezu famillionär (eine hübsche Wortbildung, der Freud in seiner Abhandlung über den "Witz und seine Beziehung zum Unbewußten" einige Passagen gewidmet hat).

Von Thomas Schmid hat man früher wenig gehört, lediglich die zu einer Abreibung vorgeladenen Emissäre der Bischofskonferenz konnten sich etwas von ihm anhören. Weil Schmid aber gern ins Internet schreibt, hat jetzt auch eine breitere Öffentlichkeit die Chance, sich der Qualitäten dieses Mannes zu versichern. Und siehe da: An dem Multitalent Schmid ist uns außer einem Spitzenpolitologen auch ein Poet reinsten Wassers verlorengegangen.

Literarische Kurzform

Die sprachliche Qualität seiner Handynachrichten demonstriert klar: Hier war ein urösterreichischer Homme de Lettres am Werk. Schmid bevorzugt die literarische Kurzform, in Summe ergeben seine Mails jedoch ein Opus von Musil’schen Ausmaßen, das immer zupackend ist, zugleich aber getragen von feiner Menschenbeobachtung und Mitgefühl ("Er war zuerst rot dann blass dann zittrig").

Wie das Klammerzitat zeigt, hat es Schmid nicht mit dem Beistrich, weil der seinen gefühlsmäßigen Sturm und Drang einbremsen würde. Er hält es mehr mit dem Rufzeichen und dem Emoji. Manche seiner Zeilen sind reine Gelegenheitsarbeiten vom Typus "Bussibär grüßt Ballhausplatz", anderes ist politisch inspirierte Lyrik, die an die Tradition des Minnesangs anschließt und den Cyberspace in einen zauberhaften Ort der Zärtlichkeit verwandelt.

Schade, dass Schmid ob seiner Workload kaum mehr zum Schreiben kommt. Als Öbag-Chef arbeitet er vermutlich an der Entwicklung eines nationalen E-Autos (Arbeitstitel "Geilomobil"), mit dem er Volkswagen und Elon Musk das Fürchten lehren will. Auch nicht schlecht. Trotzdem wär’s schön, würde er gelegentlich ein paar Zeilen in die Tastatur hämmern. Canetti, Jelinek und Handke müssen ja nicht unsere einzigen Nobelpreisträger bleiben. (Christoph Winder, 5.4.2021)