Bernadette (Katrija Lehmann, li.) und Olivia (Maximiliane Haß) trainieren eine sparsame Sprache.

Foto: Lex Karelly

Manche Dystopien haben auch verlockende Seiten. Beispielsweise jene, dass das Redeaufkommen pro Nase und Tag streng begrenzt ist. Jeder müsste mit den Worten genau haushalten, um täglich über die Runden zu kommen. Was in diversen Onlinekonferenzen unserer Tage für manchen eine heilsame Wirkung täte, ist natürlich demokratiepolitischer Horror und auch wirklich schwer zu exekutieren. Deshalb ist im Stück Zitronen Zitronen Zitronen die Machbarkeit auch kein Thema, sondern die zwischenmenschliche Auswirkung einer solchen Realität.

Das 2015 in Edinburgh unter dem verschwenderischen Titel Lemons Lemons Lemons Lemons Lemons uraufgeführte Theaterstück des Briten Sam Steiner hatte nun deutschsprachige Erstaufführung am Schauspielhaus Graz (Deutsch: Stefan Wipplinger). Es nimmt ein Paar ins Visier, das sich auf das Inkrafttreten des neuen Gesetzes vorbereitet, indem es Abkürzungen für die Alltagskommunikation eruiert und sich analog zu den Kurzbefehlen der Computerwelt mit Ziffern für gewisse Stehsätze wappnet.

Worte sparen

So lautet der Anfangsdialog etwa: "Vierunddreißig" – "Einundzwanzig". Die Welt rundherum ist menschenleer, und auch die Natur scheint es nur mehr im Palmenhaus zu geben. So zumindest wirkt das Setting aus der Filmversion von Regisseurin Anne Mulleners, die nun im digitalen Repertoire des Schauspielhauses bis 29. April zu sehen ist.

Bernadette (Katrija Lehmann) und Olivia (Maximiliane Haß) sind Juristin und Musikerin unterschiedlicher Temperamente und Meinungen und trotzdem ein Liebespaar (im Original war es noch ein Oliver), das oft in Nahaufnahme zueinander spricht. Die Inszenierung gleicht einem Experimentalfilm über eine seltsam verschobene, zum Teil surreale Welt (weiche Felsblöcke als Couch). Für ein Gedankenexperiment von 60 Minuten gerade recht. Am Ende werden es 140 Worte sein, die man für die wichtigsten Gespräche des Tages aufspart. Wehe, man kommt heim und ist schon "leer"! (Margarete Affenzeller, 2.4.2021)