Wien/Bratsilava/Zürich – Auch gute Ideen können scheitern. Als Österreich Ende 2020 einen Corona-Massentest mit freiwilliger Teilnahme durchführen ließ, war das alles andere als ein Erfolg. Nur rund 2,1 Millionen Menschen unterzogen sich der Untersuchung.

Eine Studie im renommierten Fachblatt "Science" zeigt nun, dass eine größere Beteiligung wohl viel gebracht hätte. Die Daten stammen allerdings nicht aus Österreich, sondern der Slowakei. Im Oktober und November 2020 führte die Slowakei Massentests durch, die sich an die gesamte Bevölkerung richteten.

Die Idee dahinter: einen Gutteil der Bevölkerung testen, und zwar mehrfach. Dann die Infizierten isolieren. Und nach einigen Wochen könnte das Virus weitgehend eliminiert sein.

Regelmäßiges Testen (wie hier in einer Teststraße in Wien-Simmering) ist effektiv: Wenn ein Viertel der Bevölkerung pro Woche einmal getestet wird, so haben Forscher berechnet, verringert sich die Reproduktionszahl um rund 40 Prozent.
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Mehr als fünf Millionen Antigen-Schnelltests wurden in einer Pilotphase, einer ersten Runde nationaler Tests, und in einer zweiten Runde, die sich an Bezirke mit hohen Infektionszahlen richtete, durchgeführt. Letztlich wurden mehr als 50.000 Teilnehmer als positiv erkannt und mussten sich in Quarantäne begeben.

Slowakei: Positive Tests sanken um fast 60 Prozent

Das Projekt war von Erfolg gekrönt, wie die "Science"-Studie von Forschern um Martin Pavelka von der London School of Hygiene and Tropical Medicine bestätigt: In Bezirken mit zweifachem Massentest half der Ansatz, die Zahl positiver Tests innerhalb einer Woche um fast 60 Prozent zu senken. Und das, obwohl Grundschulen und Arbeitsplätze größtenteils geöffnet blieben.

Zum Vergleich: Ein einmonatiger Lockdown im November in Großbritannien führte zu einem Rückgang der Infektionszahlen um nur 30 Prozent. Zwar lässt sich anhand der Studie nicht genau auseinanderdividieren, was auf das Konto der Massentests geht und was auf den gleichzeitigen Lockdown in der Slowakei. Modellrechnungen der Forscher um Pavelka legen aber nahe, dass der starke Rückgang mit Lockdown-Maßnahmen alleine nicht zu erklären ist.

"Die Ergebnisse aus der Slowakei zeigen, dass man mit Massentests eine zusätzliche Methode hat, um die Infektionszahlen abrupt zu senken", sagt Oswald Wagner, Vizerektor für Klinische Angelegenheiten der Med-Uni Wien. "Das Durchtesten von mehr oder weniger der gesamten Bevölkerung mit guten Testsystemen muss zu einem Rückgang der Infektionszahlen führen."

Massentests funktionieren nur regelmäßig

Dass es dann schnell wieder zu einem Anstieg der Infektionszahlen in der Slowakei kam, hat laut Wagner einen einfachen Grund. "Die Massentests wurden nicht wiederholt." Man müsse die Testaktion regelmäßig durchführen.

Bei hohen Infektionszahlen müsse man zunächst einen Massentest durchführen und nach einer Woche noch einen weiteren. Und dann die Aktion in regelmäßigen Abständen wiederholen. Wagner ist überzeugt, dass man die Massentests sogar bei kleinen Fallzahlen weiterführen müsse. Beispielhaft ist für ihn China. Dort werden in Regionen, in denen auch nur vereinzelte Infektionen auftreten, sofort solche Massenuntersuchungen gemacht. China ist in der Lage, in einer Region kurzfristig neun bis zehn Millionen Menschen zu testen.

Den Nutzen von Massentests belegen auch Simulationen aus der Schweiz. Forscher um Patrick Jenny von der ETH Zürich haben mit einem Algorithmus berechnet, wie sich Massentests auf die Reproduktionszahl des Virus auswirken. Sie konnten zeigen: Wenn man ein Viertel der Bevölkerung in einer Region jede Woche einmal testet, verringert sich die Reproduktionszahl um rund 40 Prozent. Lässt sich gar die Hälfte der Bevölkerung einmal in der Woche testen, halbiert sich die Reproduktionszahl.

"Auch schlechte Fischer angeln Fische"

Die Forscher begegneten dabei auch einem beliebten Einwand gegen die Massentests. Oft wird kritisiert, dass die dabei verwendeten Antigen-Schnelltests weniger genau seien als PCR-Tests und nicht alle infektiösen Personen zu erkennen vermögen würden.

Das stimme zwar. Es sei aber nur von geringer Bedeutung, wenn es darum gehe, unter sehr vielen Menschen eine bestimmte Zahl von infektiösen Personen zu erkennen. Man müsse damit einfach mehr Leute testen. "Auch schlechte Fischer angeln Fische", schreiben die Forscher in einem Blogbeitrag. "Um gleich viele Fische zu angeln wie gute Fischer, braucht es von den schlechten Fischern einfach mehr."

Dass letztlich in Österreich der Massentest wenig gebracht haben, lag laut Oswald Wagner an einer zu geringen Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Eine Beteiligung von 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung reiche bei einmaliger Durchführung nicht aus, um signifikante Effekte zu erreichen. "Die Massentests sind hierzulande leider von denselben Menschen diskreditiert worden, die die Masken als sinnlos bis schädlich eingestuft haben." Wagner glaubt nicht, dass sich Massentests hierzulande noch einmal durchsetzen werden.

Testlücke bei den Pensionisten?

Doch es gibt andere Wege, einen großen Teil der Bevölkerung zu testen. Immerhin sind mittlerweile alle Betriebe in Österreich verpflichtet, ihre Mitarbeiter einmal in der Woche zu testen. Zusätzlich werden die Schüler ein- bis dreimal in der Woche getestet.

Jetzt fehlen Oswald Wagner zufolge nur noch die Pensionistinnen und Pensionisten, die man dazu bringen müsse, sich einmal in der Wochen testen zu lassen. Aber bei ihnen handle es sich um die Vorsichtigen, die wohl sowieso die bestehenden Testangebote nutzen. "Wenn man das alles kombiniert mit Eintrittstests beim Friseur und in der Gastronomie, die ja ohnehin geplant sind, können wir doch sehr viele Menschen testen." (Christian Wolf, 2.5.2021)