Die Zukunft vorhersagen: Lesen in größeren Zusammenhängen oder doch alles Scharlatanerie?
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Pro
von Karin Bauer

Wir sind die Krone der Schöpfung und alles, was nicht gemessen, gezählt, gewogen und mit unseren wissenschaftlichen Mitteln bewiesen werden kann, existiert nicht?

Wer an Engel glaubt, braucht einen guten Meisendoktor, und wer einräumt, dass es übergeordnete Dinge gibt, die für die meisten von uns nicht fassbar sind, ist medikamentös schlecht eingestellt? Hybris.

Ja, die Branche der Zukunftslesung ist ein Business voller Scharlatane. Das lebt allerdings davon, dass die Lottozahlen oder die Schuhgröße des künftigen Lovers abgefragt werden. Das widerlegt aber noch nicht, dass es auch Menschen gibt, die größere Zusammenhänge sehen und vermitteln können.

Woher komme ich?, Wohin gehe ich?, Habe ich eine Bestimmung?, sind archaische Fragen nach dem Lebenssinn im großen Ganzen immer schon. Die kann man gerne versuchen – vermeintlich – intellektuell zu beantworten. Wer spürt, dass das unbefriedigend bleibt, fragt auch anders.

Kontra
von Fabian Sommavilla

Holen Sie eine Packung Spaghetti aus der Schublade und nehmen Sie ein Bündel in die Hand. Bevor Sie es (ungekocht!) auf den Boden werfen, zeichnen Sie bitte auf ein Blatt Papier das zu erwartende Kunstwerk, und schauen Sie mal, wie viele davon am Ende tatsächlich so liegen wie vorausgesagt. Sie werden das Blatt drehen und wenden können, wie Sie wollen, das wird nichts. All jene, die Ihnen vorgaukeln, die Zukunft vorauszusagen, schütten Ihnen höchstens einen Topf heiße Nudeln über die Finger und prophezeien, dass es heiß werden wird.

Die Zukunft vorherzusagen ist unmöglich. Unser Leben besteht aus zu vielen Variablen, die einander beeinflussen. Wir sind Produkte von einer so hohen Zahl an Zufällen, der restliche Text würde nicht ausreichen, um die ganzen Nullen reinzuquetschen.

Es gibt schönere Wege, sein Geld zu verprassen. Ein Teller Spaghetti in Italien etwa. Wer will schon vorher wissen, ob einen die Flasche Wein dazu speiben oder nackt ins Meer laufen lassen wird. (RONDO, 21.7.2022)