Der klassische Impfpass (Bild) soll künftig durch einen grünen Pass ergänzt werden. Steht "Sputnik" drin, könnten Reisepannen drohen.

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Tausende Sonnenhungrige aus aller Herren Länder rekeln sich für gewöhnlich im Sommer am 3,5 Kilometer langen Goldstrand an Bulgariens Schwarzmeerküste. Für den Staatssäckel des ärmsten EU-Landes ein lohnendes Geschäft: Zwölf Prozent betrug der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt – vor der Pandemie freilich.

Es wundert daher nicht, dass Bulgarien die Regeln des sogenannten grünen Passes, in dem künftig Covid-Impfungen registriert werden und mit dem das Reisen in Europa nach dem Willen der EU-Kommission künftig wieder einfacher werden soll, großzügiger auslegt als andere.

Schon Mitte März erklärte die Regierung in Sofia, die Impfung mit dem russischen Vakzin Sputnik V als gleichwertig mit jenen vier Impfstoffen anzuerkennen, die von der EU-Arzneimittelbehörde EMA bereits für den EU-Markt zugelassen sind. Nicht ohne Grund: Serbien, das als eines der wenigen Länder der Region massiv auf Sputnik V setzt, ist für das klamme Bulgarien ein besonders wichtiger Markt, was Tourismus betrifft. 420.000 Serbinnen und Serben haben laut Tourismusministerium 2020 dort geurlaubt. Dass viele heuer wiederkommen, hofft am Goldstrand jeder.

Jetzt, da auch Österreich laut über einen Ankauf von Sputnik V nachdenkt, könnte das bulgarische Beispiel Schule machen. Schließlich hofft man auch in Österreich auf die Rückkehr der chinesischen Touristen etwa nach Hallstatt – und die Devisen der zahlungskräftigen Klientel aus Russland in Wiens Goldenem Quartier.

In beiden Ländern werden nicht die in Europa gängigsten Impfstoffe wie Astra Zeneca oder Biontech/Pfizer verimpft, sondern Vakzine aus eigener Produktion, die in der EU bisher aber (noch) nicht zugelassen sind. Doch darf ein Land das überhaupt?

Europäische Lösung fern

Ja, sagt die EU-Kommission. In dem Vorschlag, den der zuständige Kommissar Margaritis Schinas Mitte März präsentierte, steht, dass jedes Land für sich entscheiden kann, welche Impfstoffe es – zusätzlich zu den von der EMA bereits zugelassenen – anerkennt.

Konkret: Wird man in Österreich etwa irgendwann mit Sputnik V geimpft und Italien erkennt das Vakzin ebenso an, dann kann man im Bel Paese genauso frei reisen wie andere Besitzer des grünen Passes. Ist das in Frankreich nicht der Fall, fällt man hier um die Vorteile des grünen Passes um.

Wie dies im Sommer dann konkret umgesetzt wird, "ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen auf nationaler wie auf EU-Ebene", heißt es aus dem Bundeskanzleramt.

Unklar ist überdies, ob Österreich mit der Verimpfung von Sputnik V auf das Placet der Amsterdamer Behörde warten oder, so wie aktuell in der EU nur in Ungarn geschehen, per nationale Zulassung vorpreschen würde. Entscheidend sei in jedem Fall eine umfassende Qualitätssicherung, hieß es am Freitag auf Anfrage aus dem Gesundheitsministerium.

Zwei Monate vor Beginn der Sommersaison ist also noch vieles unklar – kein Wunder also, dass der Druck auf die EMA von Tag zu Tag steigt, das Prüfverfahren für Sputnik V zu beschleunigen. Neben Österreich strecken schon seit Wochen konkret auch Deutschland und Italien – wo der Impfstoff auch produziert werden soll – die Fühler aus, ob sie sich mit größeren Kontingenten des russischen Vakzins eindecken können.

Eine Million russische Impfdosen

Während Österreich aber zumindest mit einem nationalen Alleingang spekuliert, sollte Sputnik V nicht bis Mai zugelassen werden, hält der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn einen Einsatz nur dann für denkbar, wenn die EMA den Impfstoff zulässt.

Hierzulande könnte die Regierung bereits nächste Woche einen Kaufvertrag mit den Russen unterzeichnen – auch ohne EMA-Placet. In Regierungskreisen verweist man darauf, dass die EU-Staaten auch bei allen anderen Impfstoffen lange vor der Zulassung zugegriffen haben. Ganz unbegründet ist die Eile nicht: Wie schon im ersten Quartal könnte es bei dem angloschwedischen Impfstoffhersteller Astra Zeneca auch im zweiten Quartal zu einer deutlich geringeren Liefermenge kommen. Dafür will man in Wien gerüstet sein.

Nach STANDARD-Informationen geht es um eine Million russische Impfdosen zu einem relativ moderaten Preis. Sie würden nur einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen. Das finanzielle Risiko wäre also vergleichsweise gering – und die Lücke beim Impfstoff, die durch Fehler beim Ankauf an EU-Kontingenten im vergangenen Herbst und Winter entstanden ist, wäre gefüllt.

Mit einer Million Sputnik-V-Dosen könnte die Durchimpfung von zwei Drittel der Erwachsenen im Land um rund drei Wochen früher erzielt werden als ohne. (Florian Niederndorfer, Thomas Mayer, 3.4.2021)