Russland hat seine Rohölexporte Richtung USA zuletzt stark ausgeweitet und ist mittlerweile nach Kanada und Mexiko der größte Lieferant der Amerikaner.

Foto: Imago / Itar Tass

Vieles ist anders unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden. Doch eines bleibt gleich: die Ablehnung der Pipeline Nord Stream 2, die jährlich 55 Millionen Kubikmeter russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland bringen soll. An dem Projekt ist neben Uniper und Wintershall (Deutschland), Engie aus Frankreich und der britisch-niederländischen Royal Dutch Shell auch die OMV beteiligt.

OMV-Chef Rainer Seele sagte mehrfach, es handle sich um ein gesamteuropäisches Projekt. Das Interesse der Osteuropäer, allen voran der Ukraine, aber auch von Polen, Estland, Lettland und Litauen an der Leitung ist aber gering. Sie fürchten um Transiteinnahmen, die Ukraine auch um politische Sicherheiten.

Lobbyist für US-Industrie

Unterstützung bekamen die Stimmen in den letzten Jahren aus Übersee. US-Präsident Donald Trump machte keinen Hehl aus seiner Lobbyarbeit für die US-Öl- und -Gasindustrie, die selbst Flüssiggas nach Europa liefern wollte. Biden, obwohl weniger eng mit Big Oil verbandelt, nutzt die gleichen Argumente für die Bekämpfung von Nord Stream 2: Europa bringe sich mit der Leitung in zu große Energieabhängigkeit von Russland.

Tatsächlich liegt der Anteil russischen Gases am Gesamtverbrauch in Europa mit 36 Prozent relativ hoch. Wobei Gazprom und Novatek 2020 Marktanteile verloren haben. Die zunehmende Anzahl an LNG-Terminals eröffnet den Europäern zudem die Möglichkeit, im Fall des Falles schnell auf andere Gaslieferanten umzusteigen.

Interessant ist, dass zugleich mit der von Washington betriebenen Containment-Politik gegenüber russischen Kohlenwasserstoffen die Ölexporte aus Russland in die USA in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Das ist insofern erstaunlich, als die USA sich in den vergangenen 15 Jahren vom Netto-Importeur zum Netto-Exporteur gewandelt haben.

Drittgrößter Öllieferant

Importierte das Land 2006 noch täglich 13 Millionen Fass (je 159 Liter) mehr, als es exportierte, so decken die Amerikaner inzwischen ihren Bedarf zu mehr als 70 Prozent selbst.

Die Lieferungen der meisten erdölexportierenden Länder in die USA sind daher zurückgegangen. Nicht so bei Russland – und das trotz der sich seit der Krim- und Ukraine-Krise 2014 drastisch verschlechternden bilateralen Beziehungen. 2020 hat Russland fast 27 Millionen Tonnen Rohöl und -derivate in die USA exportiert. Pro Tag sind das 538.000 Fass, 63 Prozent mehr als 2014.

Damit ist Russland erstmals zum drittgrößten Ölimporteur der USA aufgestiegen – hinter Kanada und Mexiko. Das Land hat dabei den langjährigen Hoflieferanten Saudi-Arabien überholt und seinen Marktanteil bei den Importen fast verdoppelt. Mit 6,85 Prozent liegt dieser deutlich unter den Werten für Europa (etwa 30 Prozent), was vor allem damit zu tun hat, dass aufgrund der langen Transportwege russisches Öl in den USA teurer ist als in Europa.

Sanktionspolitik

Die hohen Kosten setzen dem weiteren Wachstum der Lieferungen Grenzen. Allerdings gibt es einige Gründe, die dafür sprechen, dass Russland weiter eine wichtige Rolle in der Treibstoffversorgung der USA spielen wird. Einer davon besteht in der Sanktionspolitik.

Washington hat nämlich nicht nur die Russen im Visier. Seit Jahren werden in viel härterer Form auch der Iran und Venezuela boykottiert. Gerade das venezolanische Öl spielte in der Vergangenheit für die US-Raffinerien eine gewichtige Rolle. Da die russische Sorte Urals in seiner Konsistenz dem Schweröl aus dem Maracaibo-Tiefland am nächsten kommt, ersetzt es dieses. Ein Umstieg der Raffinerien auf das leichtere US-Öl der Marke WTI wäre kostspielig.

Heuer kommt tendenziell noch mehr russisches Öl in den USA an. Im Jänner hat Russland seine Lieferungen ausgeweitet. Mit insgesamt 20,1 Millionen Fass liegt Russland damit nur noch knapp hinter Mexiko (23,2 Millionen). (André Ballin, 3.4.2021)