Bundeskanzler Sebastian Kurz vor zwei Wochen während einer Pressekonferenz zur 'Impfstoffverteilung in der EU' in Wien.

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Geht es nach Bundeskanzler Sebastian Kurz, so habe Österreich beim EU-Poker um die Aufteilung der vorgezogenen zehn Millionen Biontech/Pfizer-Impfdosen ein "solides Ergebnis" erzielt. Das ist eine selbstbewusste, kühne Feststellung, wenn man erklärtermaßen mit der Vorgabe von 400.000 zusätzlichen Dosen ins Rennen geht und zwei Wochen später mit knapp 199.000 über die Ziellinie läuft.

Das entspricht genau dem Bevölkerungsanteil und ist das, was Österreich in jedem Fall zusteht; es ist im Vergleich zu jenen 139.000, die EU-Diplomaten in der Vorwoche als Richtschnur für eine EU-weite solidarische Verteilung nannten, immerhin ein Plus von 60.000 Dosen oder 30.000 dankbaren Immunisierten. Und natürlich ist für die Gesamtbilanz jede einzelne Impfung wichtig.

Ebenso klar ist: Jede Regierungschefin, jeder Regierungschef muss danach trachten, das Bestmögliche für das eigene Land herauszuschlagen – dafür werden sie schließlich gewählt, das ist ihr oder sein Job. War es aber wirklich so klug, aus dem Kanon der europäischen Solidarität auszubrechen, das Ansehen Österreichs zu beschädigen und sich womöglich längerfristig zu isolieren? Die Frage muss erlaubt sein.

Innenpolitisch mag Kurz die Aktion durchaus als Erfolg verkaufen können: Er hat ein Plus herausverhandelt, und sei es noch so klein. Österreich behauptet sich gegen die Großen – das wird von manchen gern als starke Message eines starken Kanzlers gesehen. Und nebenbei wurde, teils mit Erfolg, von unangenehmen Themen abgelenkt: Chatprotokolle zu Postenvergaben, Hausdurchsuchungen, Kirchenrüffel.

Einen Schaden aber hat Kurz mit der Aktion – deren Ausgangspunkt eine Pressekonferenz war, die wegen seines "Basar"-Vorwurfs als massive Kritik an der EU verstanden wurde – angerichtet: Es ist sichtbar geworden, dass die EU aktuell nicht in der Lage ist, gemeinsam Interessen und Nöte solidarisch auszugleichen. Österreich hat wegen einiger Zehntausend Impfdosen für sich die mühsam vereinbarte Zusammenarbeit der EU in der größten Krise seit Jahrzehnten torpediert.

Andererseits: Ohne Kurz hätten die Osteuropäer keinen Fürsprecher gehabt. Die Mitteilung, dass Österreich Tschechien mit 30.000 Impfdosen aushelfen will, mag zwar für Prag willkommen sein, bleibt aber letztlich ein aktionistischer Schnellschuss. In der Essenz hat die EU gelitten. War es das wert? (Gianluca Wallisch, 2.4.2021)