Der Lockdown in Ostösterreich wird die Zahl der Menschen in Kurzarbeit wieder nach oben treiben.

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Kein Instrument im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie war in Österreich so kostspielig wie die Kurzarbeit. Eine diese Woche frisch im Nationalrat eingetroffene Anfragebeantwortung des Arbeitsministers Martin Kocher (ÖVP) an die Neos zeigt, dass allein zwischen März und Jänner 5,9 Milliarden Euro Kurzarbeitsgeld an Unternehmen ausbezahlt wurde. Tendenz angesichts aktueller Lockdowns steigend.

Dennoch gab es an dem Modell so gut wie keine öffentliche Kritik. Das hat einen simplen Grund: Die türkis-grüne Regierung hat bei der Ausgestaltung der Corona-Kurzarbeit der Wirtschafts- und Arbeiterkammer sowie den Gewerkschaften freie Hand gelassen, der Staat übernahm die Rechnung.

Somit war die Kurzarbeit für alle vorteilhaft: Unternehmer konnten sich Kosten für Mitarbeiter ersetzen lassen, ganz gleich, ob das lebensnotwendig war oder damit nur Auftragsschwankungen ausgeglichen wurden. Arbeitnehmer in Kurzarbeit bekamen den größten Teil ihres vorherigen Lohns ersetzt und konnten sich über jede Menge zusätzliche Freizeit freuen. Österreichs Modell galt als generös.

Ein Modell im Vergleich

Diesen Verdacht hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo nun einer Überprüfung unterzogen. Eine Gruppe von Wifo-Ökonominnen hat die Kurzarbeitsregelungen in neun europäischen Ländern untersucht, darunter in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich.

Der Vergleich weist das heimische Modell tatsächlich als extrem großzügig oder extrem teuer aus, je nach Perspektive. So gibt es in fast allen untersuchten Ländern irgendwelche Selbstbehalte, die Unternehmer für ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit zahlen müssen. In Großbritannien etwa müssen Betriebe die Pensions- und Sozialversicherungskosten für ihre Angestellten weiter tragen. In Dänemark gibt es einen Selbstbehalt für Unternehmer in Höhe von 25 Prozent der Lohnsumme. Auch in Italien muss der Betrieb einen Selbstbehalt für seine Mitarbeiter in Kurzarbeit berappen, wenn dieser auch mit vier bis acht Prozent der Lohnsumme deutlich niedriger ausfällt.

In Österreich gab es all das nicht: Das AMS hat den Arbeitgebern nicht nur die Lohn- und Sozialversicherungskosten abgenommen, sondern auch die Kosten für Sonderzahlungen wie das 13. und 14. Gehalt anteilig gefördert. In den ersten drei Monaten der Kurzarbeit wurde außerdem überfördert, weil sich Unternehmen ausgefallene Arbeitsstunden beim AMS abgelten lassen konnten, auch wenn ihnen für diese Stunden keine Lohnkosten entstanden waren.

Der Wifo-Vergleich thematisiert das nicht weiter, zeigt aber auf, dass das heimische Modell auch aus Sicht der Arbeitnehmer sehr vorteilhaft war. Ein Beispiel: In Deutschland verursacht die Kurzarbeit für Unternehmen keine extra Kosten. So gesehen ist das Modell wie in Österreich. Dafür bekommen Arbeitnehmer in Deutschland weniger Geld. Die Ersatzrate beträgt dort 60 Prozent vom vorherigen Nettolohn, erst ab dem vierten Monat steigt die Rate auf 70 Prozent und nach sieben Monaten auf 80 Prozent an, für Kinder gibt es einen Zuschlag. In Österreich dagegen liegt die Ersatzrate je nach Vorverdienst gleich bei 80 bis 90 Prozent des Nettolohns. In Frankreich ist die Ersatzrate noch etwas höher, bei Menschen mit Mindestlohn sind es sogar 100 Prozent.

Zeit für Selbstbehalte?

Die Autorinnen der Wifo-Analyse, Ulrike Huemer, Marion Kogler und Helmut Mahringer, gelangen in der Beurteilung zu einem gemischten Fazit: Die spendable Corona-Kurzarbeit habe es in Österreich möglich gemacht, Betriebe zu erreichen, die bis dahin wenig Erfahrung mit dem Konzept hatten. Dadurch wurden Jobs gerettet. Nachteil des Ganzen: Das System hat hohe Mitnahmeeffekte, weil Betriebe auch Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, die sie sonst normal beschäftigt hätten. Hinzu komme, dass auch nicht langfristig überlebensfähige Unternehmen profitieren, weil sie das Ganze nichts kostet. Das System ist so verlockend, dass die Entwöhnung nicht einfach wird.

Im Wifo-Paper wird daher eine Reihe von Reformvorschlägen gemacht. Eine Möglichkeit lautet, dass Betriebe für nicht geleistete, aber geförderte Arbeitsstunden einen Selbstbehalt zahlen. Damit würde ein Anreiz gesetzt, Mitarbeiter möglichst viel zu beschäftigen, heißt es im Wifo-Papier. Und: Auf so ein System würden wohl nur Unternehmen zurückgreifen, die langfristig mit einem Überleben rechnen.

Eine Alternative wäre, die Dienstgeberbeiträge je ausgefallene Stunde nicht mehr voll zu fördern. Das wäre auch in der administrativen Abwicklung recht leicht, so das Wifo in der Analyse, die vom Arbeitsministerium beauftragt wurde.

Noch einmal zurück zur eingangs erwähnten Anfragebeantwortung. Diese zeigt, wo Kurzarbeit besonders intensiv genutzt wurde: Geht es nach den ausbezahlten Summen, kamen 24 Prozent der Industrie zugute, 20 Prozent dem Handel und 13 Prozent Tourismus und Gastronomie, Verkehr macht fast sieben Prozent aus. (András Szigetvari, 3.4.2021)