Kanzler Kurz kommt in der – theoretischen – Kanzlerfrage nicht annähernd an die Werte heran, die während des ersten Lockdowns erreicht werden konnten.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Linz – Wie war das damals mit der Koalition aus ÖVP und FPÖ? Im April 2019 hatte sie sich halbwegs etabliert und das Duo Sebastian Kurz / Heinz-Christian Strache, dessen Ibiza-Video noch unbekannt war, bekam sogar das eine oder andere Lob. Dass sie nicht streiten – das fiel 42 Prozent der Wahlberechtigten damals positiv auf. Und immerhin 27 Prozent anerkannten, dass "die Regierung die richtigen Schritte setzt, um Österreich fit für die Zukunft zu machen". Dass die Regierung Reformen zügig angehe, wurde immerhin von jedem Dritten bestätigt. Und nur 29 Prozent hatten den Eindruck, dass wichtige Themen auf die lange Bank geschoben würden.

Das reizt zum Vergleich mit der türkis-grünen Koalition, die jetzt etwa gleich lang im Amt ist wie Türkis-Blau vor dem Ibiza-Skandal. Und dieser Vergleich fällt nicht zugunsten der aktuellen Regierung aus: Nur zwölf Prozent sehen die Regierung als nicht zerstritten an. Österreich zukunftsfit machen? Fehlanzeige – nur zwölf Prozent nehmen das wahr. Gar nur sechs Prozent sehen bei der aktuellen Regierung Reformfreude – die Gegenposition, dass wichtige Themen auf die lange Bank geschoben würden, wird von 40 Prozent wahrgenommen.

"Die derzeitige Regierung hat extrem schwache Werte", sagt auch David Pfarrhofer, Institutsleiter des Linzer Market-Instituts, das 2019 und in der Vorwoche die zu vergleichenden Umfragen durchgeführt hat.

Und die Schwächen der Regierung Kurz-Strache vor zwei Jahren werden der Regierung Kurz-Kogler in ähnlichem Umfang nachgesagt: 46 Prozent sagen, dass die Regierung die Gesellschaft spalte – nur sagen das jetzt nicht nur erklärte Sozialdemokraten, sondern in noch stärkerem Maß auch erklärte Freiheitliche.

Bittet man derzeit Wahlberechtigte, der türkis-grünen Regierung eine Schulnote zu geben, dann vergeben 22 Prozent der Wahlberechtigten einen Fünfer, nur drei Prozent einen Einser. Dieses Verhältnis hat sich seit der Osterumfrage im April des Vorjahres umgekehrt. Damals gaben 26 Prozent ein "Sehr gut" und nur zwei Prozent ein "Nicht genügend". Entsprechend sank die Durchschnittsnote von 2,15 auf 3,41.

Würde jetzt gewählt, käme die ÖVP hochgerechnet zwar weiterhin auf 36 Prozent, was nur einen Verlust von 1,5 Prozentpunkten bedeuten würde; aber die Grünen würden ebenfalls verlieren. In der Hochrechnung landet der kleine Koalitionspartner nur bei zwölf Prozent, etwa zwei Prozentpunkte unter dem Wahlergebnis von 2019. Und damit entfernt sich die Koalition immer weiter von der Mehrheit, die zum Jahreswechsel noch recht stabil mit 39 plus 14 Prozent abgesichert war.

Demgegenüber legt die SPÖ kontinuierlich zu: Von 23 Prozent Ende Dezember (was bereits klar über dem Wahlergebnis von 21,2 Prozent war) über 25 Prozent im Februar auf nunmehr 26 Prozent. Ähnlich verläuft die Erholung der FPÖ – 13 Prozent im Dezember, 14 im Februar, 15 Ende März. Damit liegen die Freiheitlichen aber immer noch unter dem letzten Wahlergebnis von 16,2 Prozent.

Pessimistische Freiheitliche

Ihre Wählerschaft ist von besonderem Pessimismus geprägt – acht von zehn Wählerinnen und Wähler der FPÖ sagen von sich, dass sie mit Skepsis und Pessimismus auf die nächsten Monate blicken, das ist ein doppelt so hoher Anteil wie im Durchschnitt der Wählerschaft. Aber auch da überwiegen die Skeptiker und Pessimisten mit 41 Prozent jene 30 Prozent, die optimistisch in die Zukunft blicken. Als überdurchschnittlich optimistisch erweisen sich Befragte unter 30 und erklärte Anhänger der ÖVP.

Pfarrhofer stellt einen direkten Zusammenhang mit der Frustration der Bevölkerung angesichts der Misserfolge der Corona-Bekämpfung her: "Wir haben die handelnden Personen ebenso wie die ergriffenen Maßnahmen vor einem Jahr und jetzt noch einmal benoten lassen. Zu Ostern 2020 haben die Maßnahmen der Regierung noch die Durchschnittsnote 1,82 bekommen – da waren die Menschen überwiegend überzeugt, dass die Maßnahmen alternativlos wären. Jetzt ist die Note nur noch 3,19. Und verantwortlich gemacht wird vor allem der Bundeskanzler: Die Note für Sebastian Kurz ist von 1,97 auf 3,33 zurückgefallen, das bezeugt einen massiven Vertrauensverlust."

Kurz strahlt weniger Vertrauen aus

So sei auch zu erklären, dass Kurz erstmals seit der Übernahme der ÖVP-Obmannschaft 2017 in der (theoretischen) Kanzlerfrage unter 30 Prozent gesunken ist.

Könnte man den Bundeskanzler direkt wählen, würden 29 Prozent dem Amtsinhaber die Stimme geben – vor einem Jahr waren es 52 Prozent. Der Abstand zur SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner ist weiterhin beachtlich: Sie kommt in der aktuellen Umfrage auf 17 Prozent, das ist ihr bester Wert seit dem Wahljahr 2019. Aufgeholt hat auch Norbert Hofer, den sich zwölf Prozent als Kanzler wünschen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hätten acht Prozent gern als Kanzlerin, ihre Partei kommt auf hochgerechnet zehn Prozent.

Grünen-Chef Werner Kogler hat mit fünf Prozent seinen schlechtesten Wert seit dem Regierungseintritt seiner Partei – damals hatten ihn sich 15 Prozent als Kanzler gewünscht.

Pfarrhofer meint allerdings, "dass es in der momentanen Situation für niemanden lustig ist, Politiker zu sein. Wenn man sich anschaut, dass keiner Partei so richtig zugetraut wird, dass sie eine lebensnahe Politik in der Corona-Krise macht, dann sieht man auch, dass die Frustration eine allgemeine ist."

Der Meinungsforscher führt als Beleg dafür die Benotung der Regierungsmitglieder an. Da haben ausnahmslos alle schlechtere Noten als vor einem Jahr bezogen. Am relativ besten schneidet die Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ab, die bedingt durch ihre Babypause in den vergangenen Monaten wenig öffentliche Präsenz gezeigt hat. Der neue Arbeitsminister Martin Kocher (parteifrei auf ÖVP-Ticket) dagegen ist sehr medienpräsent, aber noch ohne große Chance, etwas umzusetzen. Er bekommt die schlechtesten Noten.

Gibt es gar nichts Positives über die Koalition zu sagen? Doch: Im Vergleich mit der türkis-blauen Regierung wird ihr immerhin weniger vorgeworfen, dass sie unfair zu Ausländern sei oder dass das Aufkommen von Rechtsextremismus begünstige – und sie gilt auch als etwas weniger sozial kalt. (Conrad Seidl, 6. April 2021)