In diesem Geschäft in Amman kann man die königlichen Hoheiten käuflich erwerben, einzeln oder als Familie. Dass sich nicht alle grün sind, wusste man. Wie tief der Riss ist, überrascht auch die Jordanier.

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Die offizielle Version der Ereignisse in Jordanien präsentierte Vizepremier Ayman Safadi Sonntagabend auf einer Pressekonferenz: Prinz Hamza bin Hussein und dessen "innerer Kreis" hätten daran gearbeitet, die Sicherheit und Stabilität des Landes zu unterminieren – und dieser Plan sei am Samstag gestoppt worden: Hamza, Halbbruder von König Abdullah II. und von 1999 bis 2004 dessen Kronprinz, wurde zu Hause festgesetzt, zwischen 14 und 16 Personen – nach inoffiziellen Zählungen sind es mehr – wurden verhaftet.

Die internen Geheimdienste hätten die staatsfeindlichen Aktivitäten der Betroffenen lange verfolgt. Es seien auch "externe" Parteien im Spiel, auch die "sogenannte äußere Opposition", sagte Safadi.

Die Jordanier und die Jordanierinnen rieben sich am Sonntag ungläubig die Augen: Dass es Spannungen im Königshaus und Kritik an der Politik des Königs gab – die sich auch in häufigen Demonstrationen ausdrückte –, ist nicht neu, und auch nicht, dass der 41-jährige Prinz Hamza in Abdullah-kritischen Kreisen sehr beliebt ist. Die Eskalation kam dennoch unerwartet: Sie offenbart nicht nur, wie tief der Riss in der Familie geht, sondern auch, wie relativ der Topos von der "Stabilität" der haschemitischen Monarchie ist – auch wenn etwa von militärischen Vorbereitungen der angeblichen Umstürzler nicht die Rede war.

Vizepremier Safadi sagte in seiner Pressekonferenz, dass sich König Abdullah weiter darum bemühe, die Angelegenheit "innerhalb der Familie" zu regeln: Die Reaktion Hamzas, aber auch seiner Mutter, Alt-Königin Noor, deuteten am Wochenende nicht darauf hin, dass sie klein beigeben würden. Noor twitterte von "bösartigen Verleumdungen", Hamza beschuldigte die jordanische Führung auf einem Video der Korruption und Inkompetenz und ortete einen Zusammenbruch der Regierungsfähigkeit. Die Menschen hätten das Vertrauen verloren, Kritik sei unmöglich geworden. In einer Audiobotschaft, die mehrere Medien zugespielt wurde, sagt Prinz Hamza, dass er den ihm von jordanischen Generalstabschef überbrachten Befehlen nicht gehorchen werde.

Hamzas Unterwerfung

Am Montagabend wurde bekannt gegeben, dass König Abdullah seinen und Hamzas Onkel, Prinz Hassan, als Vermittler zu Hamza schicken würde – jenen Bruder des verstorbenen Königs Husseins, den dieser 1999 kurz vor seinem Tod als Kronprinz durch Abdullah ersetzt hatte. Hamza habe bei diesem Besuch einen Brief unterzeichnet, in dem er seine Treue dem König gegenüber bestätigte. Der Brief wurde in den jordanischen Medien im Facsimile veröffentlicht. Darin stellt sich Prinz Hamza dem König "zur Verfügung".

Middle East Eye berichtete aufgrund von Audio-Aufnahmen, dass Generalstabschef Yussef Huneity, der am Samstag Hamza den Hausarrestbescheid überbracht habe, nichts von dessen Beteiligung an Putschplänen gesagt hatte. Dem Prinzen wurde "nur" der Umgang mit König-kritischen Kreisen vorgeworfen.

Fels in der Brandung?

Stimmt das Verschwörungs-Szenario, wie es vom Vizepremier präsentiert wurde, dann hat König Abdullah II. zwar Handlungsfähigkeit bewiesen. Gleichzeitig sind die Vorgänge ein schwerer Schlag für die jordanische Reputation als Fels in der Brandung einer unruhigen Region. Dass sich Regierungen weltweit sofort hinter König Abdullah stellten, ist ein normaler Vorgang. Aber das Bild der Verschwörer, wie Jordanien es präsentiert, wirft einige Fragen auf.

Eine zentrale Figur unter den Verhafteten ist Bassem Awadallah (57). Der brillante Ökonom stieg in den ersten Regierungsjahren Abdullahs an dessen Seite auf, er war Chef des königlichen Hofs und Planungs- und Finanzminister. Nach einer Entfremdung – Awadallah machte seine eigenen Geschäfte – schickte ihn König Abdullah als seinen Verbindungsmann zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS). Später wurde er dessen Berater bei Wirtschaftsprojekten: Awadallah hat sowohl die jordanische als auch die saudische Staatsbürgerschaft. Awadallahs Rolle als Sondergesandter bei MbS übernahm der jordanische Prinz Hassan bin Zaid. Und dieser wurde am Samstag ebenfalls verhaftet.

Awadallah wurde, so schreibt die Jordanien-Kennerin Sara Obeidat in einem Tweet, von den Leuten "raspunisiert": Das heißt, er galt als der böse Einflüsterer des Königs (wie der Prediger Rasputin bei Zar Nikolaus II. am russischen Hof).

Slogans gegen Awadallah

Bei Demonstrationen – vor allem während des Arabischen Frühlings 2011 – wurden Slogans gegen Bassem Awadallah gerufen. Gerade deshalb passt es für viele Leute nicht zusammen, dass der beliebte, als bescheiden und religiös geltende Prinz Hamza bin Hussein sich mit ihm verschworen haben soll.

Jordanische Medien hatten zuerst berichtet, dass Awadallah versucht habe, jordanisches Land an Israel zu verkaufen. Israel kam auch, ohne dass er es beim Namen nannte, in Vizepremier Safadis Präsentation der Fakten vor: In der Nacht auf Sonntag habe es eine Kommunikation zwischen Prinz Hamzas Frau und "einem Individuum mit Verbindungen zu einem ausländischen Geheimdienst" gegeben, der der Familie ein Flugzeug zur Flucht anbot. Diese Person, ein in Europa lebender israelischer Logistikunternehmer, streitet das Hilfsangebot an Hamza gar nicht ab, er sei aber einfach nur ein persönlicher Freund Prinz Hamzas, berichtet Axios.

Die israelisch-jordanischen Beziehungen waren zuletzt schlecht, und auch jene zu Saudi-Arabien sind immer wieder spannungsgeladen. Aber was diese Länder von Putschplänen und einer Destabilisierung Jordaniens haben sollten, erschließt sich nicht, im Gegenteil. Das gilt auch für die Vereinigten Arabischen Emirate, die immer wieder genannt werden, denn Awadallah war auch in Dubai tätig.

"Sündhafte Attacke"

Betroffen von den Verhaftungen sind auch Mitglieder des mächtigen Majali-Stamms, darunter der Büroleiter Prinz Hamzas, Yasser al-Majali. Offenbar wird Prinz Hamza vor allem sein Umgang mit dem König kritisch gegenüberstehenden Stämmen vorgeworfen, mit denen er regelmäßig Kontakt pflegte. In einer Erklärung nannten die Stammesführer den Samstag einen "schwarzen Tag in der Geschichte Jordaniens" und das Vorgehen der Behörde eine "sündhafte Attacke". Diese Wortwahl ist keine zufällige: Vor allem König Abdullahs Frau, Königin Rania, wurde von den konservativen Stämmen immer wieder vorgeworfen, dass ihre Lebensweise nicht den jordanischen arabischen und islamischen Werten entspreche. (Gudrun Harrer, 6.4.2021)