Kunstrasenplätze sind 2050 wegen des globalen Wassermangels weitverbreitet, hohe Steuern auf Mikroplastik-Emissionen machen sie aber teuer.

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Hinweis: Erklärungen zu den zugrunde liegenden Annahmen finden sich am Ende des Artikels.

Zhang Wei ist eine der letzten Brücken zwischen China und dem Westen. Wird der Stürmer gefoult, zucken Millionen Menschen auf der Welt zusammen – all jene, die einen Bruchteil des 20-jährigen Superstars gekauft haben. Sie bangen nicht nur um ihre Rendite, als Anteilseigner haben sie auch die Option, während des Matchs physisches Feedback zu bekommen: Wird Zhang umgegrätscht, bekommen ihre Nerven einen einstellbaren Schmerzimpuls. Wer an keinem der Kicker beteiligt ist, kann mittels Virtual Reality zwar durch ihre Augen sehen, spürt aber nichts und bekommt auch keinen Dopaminschub beim Tor.

Zhang hat Guangzhou Alibaba in seinem vierten Profijahr zum dritten Mal ins Finale der Global Super League geführt. Die GSL hat der europäischen Super League in den 30er-Jahren den Rang abgelaufen, seit 2036 spielen nun je acht Teams in vier Kontinental-Ligen. Auf- und Absteiger gibt es keine, dafür fixe Gehaltsklassen: Jedes Team darf maximal einen der besten zehn Akteure der Vorsaison im Kader haben und dementsprechend bezahlen. Wer die zehn besten waren, bestimmt der Analysealgorithmus. So ist eine Dominanz wie die von Guangzhou selten geworden.

Konzernklubs

Der Werksklub des größten Konzerns der Welt trifft im GSL-Finale auf Los Angeles Alphabet. Gespielt wird im Estadio Kylian Mbappé von Madrid, Anstoßzeit ist aus Rücksicht auf den chinesischen und indischen Markt zwölf Uhr Mittag. Wie bei den meisten Spielen im Juni muss das Stadion künstlich gekühlt werden, Arenen ohne diese Funktion bekommen längst keine Lizenz mehr.

Ob Gianni Infantino auch 2050 noch Fifa-Präsident ist? Es wäre ihm zuzutrauen. Den Weltverband hat er auf seine Linie gebracht.
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Die ersten 20 Minuten vergehen recht ereignislos, aber kurz nach dem ersten Time-out hat Zhang seinen großen Auftritt. Mit einem Doppelpass ist er auf und davon, überspielt den Goalie und schießt das 1:0. Viele Fußballfans sehen Zhangs Alleingänge aufs Tor als Argument dafür, die Abseitsregel wieder auf die 2000er-Version zurückzudrehen. Der jüngste WM-Siegerkapitän aller Zeiten ist zu gut am Ball, um einen Vorsprung aus der Hand zu geben.

Kopfballverbot

Er kann praktisch alles – außer Kopfbällen, denn die darf er erst seit zwei Jahren trainieren. Mit dem Wissen um Mikrogehirnerschütterungen stirbt das Kopfballspiel aus, mittlerweile ist es nur mehr im Strafraum und ohne Kollisionsrisiko erlaubt. Wer in ein Kopfballduell der alten Schule geht, kassiert Gelb und muss 20 Minuten vom Feld.

Arsene Wenger macht sich für die Fifa Gedanken über Regel-Neuerungen. Er überlegt eine Abschaffung des Einwurfs und eine offensivfreundlichere Abseitsregel.
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Traditionalisten wollen angesichts von Zhangs Dominanz gar die gute alte Viererkette zurück – und dafür eine Wiedereinführung des elften Spielers. Dessen Abschaffung brachte rasanteren Fußball, die erhoffte Torflut und taktische Neuerungen, nachdem sich Pep Guardiolas 2-3-2-3 mit aktivem Goalie als perfektes System erwiesen und zu Innovationsstillstand geführt hatte. In den 2030ern hatte Guardiola mit dem WFC Barcelona neunmal in Folge die mittlerweile gleichgestellte Women’s Super League gewonnen. Nur 2035 fand der Bewerb nicht statt. Ein Erreger aus dem auftauenden Permafrost hatte eine Pandemie verursacht, die nur in den reichsten Ländern schnell unter Kontrolle war.

Böser Verdacht

Am Ende eines Jahrzehnts, in dem die globalen Fußballstars meist Frauen waren, ist mit Zhang wieder ein Mann an der Reihe. Bei aller Bewunderung ist er nicht unumstritten. Schon als das Supertalent mit 14 Jahren die Welt verblüffte, gab es Gendoping-Anschuldigungen. Der chinesische Verband soll über das erlaubte Maß hinaus eingegriffen haben, aber keiner der gängigen Tests konnte Ungereimtheiten nachweisen. Klar, es gibt die Aufnahme des 13-jährigen Zhang bei einer illegalen Prozedur, Fußballfans nennen sie nur "Der Beweis". Aber die Echtheit von Videos kann längst niemand mehr feststellen, Deepfakes sind trotz aller Verbotsversuche Alltag geworden.

Die Ballkontrolle des Wunderstürmers lässt den legendären Lionel Messi wie einen Holzfuß aussehen. Kein Wunder, er ist mit der immer beliebteren Fünf-gegen-fünf-Variante des Sports aufgewachsen. In Zhangs Heimat im Norden Chinas sind Rasenplätze verboten, die Bewässerung war in einer Zeit von zunehmenden Wasserkriegen nicht mehr zu rechtfertigen. Wie in vielen anderen Regionen wird nur mehr auf asphaltierten Kleinfeldern gespielt, die sich auf einstigen Parkplätzen aneinanderreihen.

Digitale Trainer

Kurz nach der Pause entwischt Zhang wieder. Guangzhous Trainersoftware hat ihn im üblichen 3-2-1-3-System auf die rechte Stürmerposition rotiert, da beim Linksverteidiger von L.A. nach zwei langen Sprints erhöhte Laktatwerte gemessen wurden. Der kann sich nur mit einem taktischen Foul helfen. Immerhin braucht es kein hartes Einsteigen, für die Blaue Karte muss er nur zehn Minuten in die Strafbox.

Egal: Guangzhou schießt in Überzahl das 2:0 und holt den Titel. Zu wirklicher Ekstase führt das nur bei Fans der 35 Kaderspieler. Die Anhänger vergöttern seit dem Ende der Stadionbesuche eher einzelne Kicker als deren Klubs, die Vertragsbefristung auf zwei Jahre tut ihr Übriges.

Alte Schule

Und Österreich? Die Bundesliga liegt im Konzert der Abgehängten im Mittelfeld, punktet bei der Retro-Gegenbewegung aber mit Fans direkt am Spielfeldrand. Vor Übergriffen beim Out-Einkick muss man keine Angst haben, ein automatisches Frühwarnsystem mit Betäubungsfunktion sowie drakonische Strafen schrecken ab. Für homophobe Rufe braucht es dieses System nicht, die hat nun auch der Fußball hinter sich gelassen.

Mit vier Meistertiteln in Serie ist Rapid auf dem besten Weg, sich den Rekordmeistertitel von Salzburg zurückzuholen. Anders als die belgischen Vertreter nehmen die Top drei der Liga noch an kontinentalen Bewerben teil, der öffentliche Druck aufgrund der vielen Flüge steigt aber. Deshalb laufen Verhandlungen über ein Wiederaufleben des Mitropa-Cups. Die beteiligten Ligen sind an Bord, nur Uefa-Präsident Zlatan Ibrahimovic legt sich noch quer.

Das könnte "Ibra" den Job kosten. Die jüngeren Funktionäre verachten ihn als Teil der gescheiterten Generation. Sie werfen dieser vor, weder ihren Fußball noch ihre Welt bewahrt zu haben. (Martin Schauhuber, 6.4.2021)