Damen, im KHM gerne ausgestellt: Furinis nachdenkliche Maria Magdalena.

KHM Museumsverband

Ob die "Scheißquote", über die sich Gabriela Spiegelfeld in ihrem Chat mit dem späteren Öbag-Chef Thomas Schmid im Jänner 2019 echauffierte, künftige Bestellungen von potenziell "nervenden Weibern" in staatsnahe Führungsetagen belasten wird, muss sich weisen. Jedenfalls: Der Sager sei deppert gewesen, aus der Emotion heraus einem wenig erfolgreichen Arbeitstag geschuldet, erklärt sie im STANDARD-Gespräch.

Interessant: Der Öbag-Aufsichtsrat ist zwar nicht mit jenem des Kunsthistorischen Museums (KHM) vergleichbar. Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Ironie, dass Spiegelfeld just in jenen Tagen von Gernot Blümel (ÖVP) – damals für Kunst und Kultur zuständiger Kanzleramtsminister – in das KHM-Kuratorium entsandt wurde.

Ein Defizit

Von der Betriebsrätin abgesehen ist das wirtschaftliche Aufsichtsorgan zwar mit je vier Frauen und vier Männern besetzt, die "Scheißquote" also erfüllt. Im KHM-Museumsverband selbst ist seit geraumer Zeit im Hinblick auf wissenschaftliche Leitungsfunktionen jedoch das Gegenteil der Fall.

Nur zwei von früher

Was die jüngsten Bestellungen der Gemäldegalerie (Peter Kerber) und des Weltmuseums (Jonathan Fine) ahnen lassen, bestätigt sich im Gesamtbild mehr als deutlich: Unter zehn amtierenden Sammlungsdirektoren sind nur drei Frauen. Zwei davon waren schon im Amt, bevor Sabine Haag 2009 die Generaldirektion übernahm. Tatsächlich wurden in den vergangenen zehn Jahren, inklusive diverser Nachbesetzungen, ausnahmslos Männer mit Leitungsfunktionen betraut und keine einzige Sammlungsdirektorin bestellt.

Eine diesbezüglich an das KHM übermittelte Anfrage blieb unbeantwortet. Dem Kuratorium sind das Problem und die schiefe Optik aber nicht fremd, wie Spiegelfeld bestätigt. Sie habe sogar Vorschläge gemacht und Lebensläufe prädestinierter Kandidatinnen deponiert, wie die Frauennetzwerkerin erzählt.

Viele Direktorinnen anderswo

Dass es an Qualifikationen hapert, muss angesichts der Dichte an Direktorinnen in der heimischen Museumsszene angezweifelt werden. Die Jahrzehnte der Männerdominanz sind längst Geschichte, wie die wachsende Zahl der von Frauen geleiteten Institutionen belegt: darunter das Belvedere (Stella Rollig), das Mumok (Karola Kraus), das Naturhistorische Museum (Katrin Vohland), die Österreichische Nationalbibliothek (Johanna Rachinger), das Haus der Geschichte Österreich (Monika Sommer) oder auch das Lentos Kunstmuseum (Hemma Schmutz) und die Landesgalerie Niederösterreich (Gerda Ridler, ab 2022).

Haag ist eine von ihnen. Zeitgleich scheint sie in ihrem beruflichen Habitat aber keine Ambitionen zu hegen, versierte Wissenschafterinnen zu fördern – oder zu dulden, wie es ehemalige Mitarbeiterinnen und Bewerberinnen für Leitungsfunktionen in Hintergrundgesprächen formulieren.

Adoranten bevorzugt

Sie wollen anonym bleiben, um ihrer weiteren Karriere nicht zu schaden – ihr Fazit allerdings: Die Generaldirektorin würde sich bevorzugt mit Adoranten umgeben, starke Frauen würden sie dagegen verunsichern. Haags Sicht ist eine andere, wie sie in einem Gespräch jüngst angemerkt hat. Sie meinte, dass es ihr "stets um die beste Person" gehe und sie sich "auch für Frauen einsetze". Sie wünschte ja, "dass sich mehr Frauen für Führungspositionen bewerben", jedoch werde "die Luft etwas dünn, sobald es darum geht, Verantwortung zu übernehmen".

Zeitgleich könnte die (auch international bekannte) männlich dominierte Bestellungsstrategie des KHM längst ihre abschreckende Wirkung getan und potenzielle Kandidatinnen vertrieben haben. Hört man sich in Headhunterkreisen um, dann würden sich Frauen zudem mehrheitlich nur dann bewerben, wenn sie 100 Prozent der Anforderungskriterien erfüllen. Männer sind da nicht so zimperlich.

Da ist Handlungbedarf

Die "Scheißmännerquote" im KHM, so die Obfrau des Kulturausschusses im Parlament und Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger, sei auch ihr geläufig, zumal "in letzter Zeit alles dazu getan wurde, sie beizubehalten, ja diese sogar noch zu erhöhen".

Ein "Missverhältnis" und einen "dringenden Handlungsbedarf" sieht auch Gabriele Heinisch-Hosek, Ex-Frauenministerin, SPÖ-Frauenvorsitzende und neuerdings auch Kultursprecherin der Sozialdemokratie. Sie setze "auf die Unterstützung des Kuratoriums in der Hoffnung, dass hier nicht nur ‚steuerbare‘ Frauen, sondern Kämpferinnen für Geschlechtergerechtigkeit sitzen". Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) will sich auf Anfrage übrigens nicht äußern: auch dazu nicht, ob Gabriela Spiegelfeld dem KHM-Kuratorium als vom Ministerium bestelltes Mitglied – trotz der peinlichen Entgleisung – erhalten bleibt. (Olga Kronsteiner, 6.4.2021)