Neos-Abgeordneter Helmut Brandstätter, bis 2018 "Kurier"-Chefredakteur, brachte eine Anzeige wegen gefährlicher Drohung gegen unbekannte Täter im Zusammenhang mit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss ein.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Helmut Brandstätter, Neos-Abgeordneter und bis 2018 Chefredakteur des "Kurier", hat am Dienstag bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen gefährlicher Drohung gegen unbekannt eingebracht. Der Anlass: Nach der Befragung von Öbag-Chef Thomas Schmid im Ibiza-Untersuchungsausschuss im Juni 2020 habe die PR-Beraterin Gabi Spiegelfeld seiner Frau die nach seiner Wahrnehmung unzweifelhaft an ihn gerichtete Botschaft übermittelt: "Jetzt ist Krieg, jetzt wird er zerstört!"

Brandstätter schreibt in seiner Anzeige, diese Formulierung erfülle nach seiner Überzeugung das Tatbild des Paragrafen 107 Strafgesetzbuch über gefährliche Drohung: "Offensichtlich ging es darum, mich in meiner Tätigkeit als Abgeordneter und Ersatzmitglied im Ibiza-Untersuchungsausschuss einzuschüchtern."

Er betont aber in der Anzeige, er sei "überzeugt davon, dass Frau Spiegelfeld-Quester nicht Urheberin dieser Drohung" sei. "Sie war nach meiner Überzeugung nur die Überbringerin der gefährlichen Drohung, so wie sie mir früher Nachrichten von der Umgebung von Sebastian Kurz oder ihm persönlich ausrichten ließ."

Brandstätter berichtet von "Drohungen"

Brandstätter schreibt in der Anzeige von mehreren gegen ihn und/oder seine Frau, ORF-Journalistin Patricia Pawlicki, gerichtete "Drohungen", die er der "Truppe um Kurz" zuordnet. Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz habe "selbst zuvor eine Drohung ausgesprochen". Bei einem Abendessen am 19. Juni 2017 in einem Hietzinger Lokal habe Kurz ihm "sehr klar gesagt: 'Du bist mein Freund oder mein Feind.'" Brandstätter hatte bei dem Treffen "auch den Eindruck, dass er mich mit Wissen über – vom ORF genehmigte – nebenberufliche Tätigkeiten meiner Frau, die als ORF-Moderatorin arbeitet, unter Druck setzen wollte".

Spiegelfeld antwortete seit Freitag nicht auf Anfragen um Stellungnahme zu Brandstätters Aussagen vor der WKStA.

Aus dem Kanzleramt hieß es auf STANDARD-Anfrage zu den Vorwürfen Brandstätters: "Dass Helmut Brandstätter einen tiefen Hass gegenüber Sebastian Kurz empfindet, ist bekannt und hat er bereits als Chefredakteur des 'Kurier' ausgelebt. Wenig überraschend war es daher für uns, dass er von der Rolle des Journalisten in die Rolle des Parteipolitikers gewechselt ist, wo er nun den gleichen Kampf mit neuem Hut fortsetzt. Dass er immer wieder unwahre Behauptungen und Gerüchte in die Welt setzt, um den Bundeskanzler zu diskreditieren, wie Falschaussage im U-Ausschuss oder Aussagen, Sebastian Kurz wäre bei Frau Spiegelfeld auf Mallorca zu Gast gewesen, zeigen seine Aversion gegen Sebastian Kurz. Sein eigenes Wahlplakat mit dem Slogan 'Sieht rot bei Türkis' bringt seine Geisteshaltung genau auf den Punkt."

"Möchte ich nicht beantworten"

Im Untersuchungsausschuss wiederum sprach Brandstätter Anfang März 2021 von einem Anruf Spiegelfelds nach der Befragung von Öbag-Chef Thomas Schmid im Juni 2020 bei "jemandem", um ihm auszurichten: "Jetzt ist Krieg, jetzt wird er zerstört!" Brandstätter wollte von Spiegelfeld wissen, wer ihr ausgerichtet habe, ihm mitzuteilen, dass er zerstört werde?

Spiegelfeld antwortet in diesem März im Ausschuss zunächst laut Protokoll mit: "Möchte ich nicht beantworten." Dann – jeweils nach Geschäftsordnungsdebatten, ob die Frage zulässig ist – mit: "Das möchte ich nicht beantworten, ich weiß es nicht" und noch einmal mit "Das möchte ich nicht beantworten". Später fragt Brandstätter, ob es eine Person gewesen sei, die das gesagt habe, um es ihm ausrichten zu lassen. Spiegelfeld: "Nein."

Andreas Hanger, stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, erklärte Brandstätter dort in den intensiven Debatten über die Befragung Spiegelfelds, er könne "natürlich Strafanzeige einbringen, dann ist es Sache der Justiz, diese Ermittlungsschritte durchzuführen".

Brandstätter bei der WKStA

Brandstätter war am 22. März 2021 schon zur Zeugeneinvernahme bei der WKStA in Sachen erweiterter Ermittlungen im Gefolge des Ibiza-Videos. Dem STANDARD liegt das von ihm Seite für Seite unterzeichnete Vernehmungsprotokoll vor. Er sprach dort über seine Erfahrungen und Wahrnehmungen von Interventionen von Sebastian Kurz und seinem Umfeld, teils über Spiegelfeld, als Brandstätter noch "Kurier"-Chefredakteur und -Herausgeber war.

Vorige Woche titelte das von Peter Pilz gegründete Onlinemedium "ZackZack" von einem "Aufstand beim 'Kurier''". "ZackZack" berichtete von einer anonymen Sachverhaltsdarstellung, die Autoren stellen sich als "Journalisten und Juristen" vor, die im Untersuchungsausschuss Falschaussagen von Kanzler Sebastian Kurz über Einflussnahme auf die Berichterstattung der Zeitung und die Ablöse Helmut Brandstätters als Chefredakteur im Herbst 2018 gehört haben wollen.

Beim "Kurier" sorgte die Story vor allem für Aufwand beim Rätseln auf vielen Ebenen der Redaktion: Welche "Journalisten" aus ihren Reihen könnten sich mit Vorwürfen und Schilderungen von Politeinfluss der ÖVP von Sebastian Kurz an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gewandt haben?

Aufwand mit Aufstand

Der Zeitaufwand beim "Kurier" führte zur ziemlich einhelligen Erkenntnis, dass die Anzeige nicht aus der aktuellen Redaktion komme. Das zumindest erklärten dem STANDARD Redaktionsmitglieder, die der Chefredaktion nah bis ziemlich fern stehen. Brandstätter selbst erklärte "ZackZack", das über seine (Mit-)Autorenschaft der Sachverhaltsdarstellung spekulierte, er wisse nur, dass es eine Anzeige von Personen gebe, "denen der 'Kurier' am Herzen liegt".

Die Mallorca-Frage

Bei der Zeugeneinvernehmung Brandstätters vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am 22. März 2021 lautete die erste inhaltliche Frage an Brandstätter lautete laut Protokoll: "Sie haben sich an die WKStA mit einem Schreiben gewandt, wonach Sebastian Kurz in Mallorca bei Frau Spiegelfeld war, was bei ihrer Vernehmung Beweisthema war?"

Hat sich Brandstätter also mit einem Schreiben an die WKStA gewandt? Nein, das stimme nicht, sagt Brandstätter auf STANDARD-Anfrage. Er habe nur einem – nicht genannten – "Jemand" erklärt, dass er zu einer Aussage über ihm vorliegende Beweismittel bereit sei, dass Sebastian Kurz um den 1. Juni 2018 im Anwesen der Kurz-Vertrauten und Kommunikationsberaterin Gabi Spiegelfeld auf Mallorca gewesen sei.

Spiegelfeld hat laut Protokoll im Ibiza-Untersuchungsausschuss am 4. März 2021 erklärt, sie habe Kurz "natürlich nicht" in Mallorca getroffen: "Sebastian Kurz war nie in Mallorca. (...) Er war nie bei mir. Weder hat er bei mir übernachtet, noch war er auf einen Kaffee bei mir." Im Gegensatz zu Brandstätter, dessen Familie auf einen Kaffee bei ihr gewesen sei.

"Sebastian ist hier"

Vor der WKStA gab Brandstätter nun zu Protokoll: Spiegelfeld sei am Morgen des 1. Juni 2018 "eindeutig" in Mallorca gewesen und habe seiner Frau die Textnachricht "Sebastian ist hier" geschrieben. Zuvor hätten sich die beiden via Whatsapp über Kurz' Fehlen beim Philharmoniker-Konzert in Schönbrunn unterhalten. Brandstätter gab an, danach habe Spiegelfeld seine Frau Patrica Pawlicki noch angerufen und erklärt: "Ja, er ist hier, aber er schläft im Hotel." Auch darüber wurde schon berichtet.

Warum beschäftigt das den Ibiza-Untersuchungsausschuss und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft? Nach Aussagen mehrerer Oppositionsabgeordneter im Ausschuss geht es da um die Frage von Geschenkannahme und Aufträgen. Spiegelfeld arbeitet etwa für die Bundesbeteiligungsholding Öbag, sie kommt in den Chatprotokollen des damaligen Finanzministerium-Generalsekretärs Thomas Schmid über die Vorbereitung seiner Bestellung zum Alleinvorstand der Öbag vor. Dienstag wurde bekannt, dass Schmids Vertrag als Öbag-Chef nun nicht verlängert wird.

"Botschafterin" für ÖVP-Linie

In der Befragung vor der WKStA im März 2021 schildert Brandstätter, dass er, noch beim "Kurier", Spiegelfeld als "sehr enge Vertraute" von Kurz erlebt habe, sie habe ihm "öfter Nachrichten von Herrn Kurz ausgerichtet". Brandstätter: "Sie hat sich dann als Botschafterin betätigt, wie man den 'Kurier' ÖVP-freundlich machen sollte, wortwörtlich einmal auf 'ÖVP-Linie bringen'. Einmal hat sie mir gesagt, sie würde gerne dafür sorgen, dass ich mich mit Sebastian Kurz besser verstehen würde und ich mich drei Schritte von Christian Konrad entfernen müsse." Konrad war langjähriger Raiffeisen-Generalanwalt und Eigentümervertreter bei den Kurier-Medien, 2015/16 Flüchtlingskoordinator der Regierung und scharfer Kritiker des Flüchtlingskurses von Sebastian Kurz.

"Kurier"-Aufsichtsratschef Erwin Hameseder habe ihm ab Mai 2017 von Beschwerdeanrufen des "Sebastian" berichtet, erklärt Brandstätter bei der Staatsanwaltschaft. Hameseder verneint auf STANDARD-Anfrage Interventionen über ihn. "Einflussnahme schließe ich definitiv aus." Er nehme alleine die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden wahr.

Brandstätter erklärt in seiner Zeugenvernehmung, PR-Beraterin Spiegelfeld sei "in der Frage meiner Nachfolge" (beim "Kurier") eingebunden gewesen, habe immer "signalisiert, dass sie am letzten Stand ist, dass (Martina) Salomon "Kurier"-Chefin werden muss.

Hassbotschaften

Und warum schrieb Kurz Schmid in den von der WKStA rekonstruierten Öbag-Chats davon, dass Brandstätter ihn "hasst"? Brandststätter will das von Kurz schon "einen Abend lang" im Juni 2017 gehört – und dies verneint haben. Er vermute, dass Kurz das aus seinem Sich-Wehren gegen Einflussnahme geschlossen habe.

Brandstätter habe aber laut eigenen Worten "in einem Telefonat mit Kurz – nachdem er auch schon laut geworden war – geschrien: 'Ich lasse mich nicht wegmobben, wie du den Mitterlehner weggemobbt hast.' Anlass war wahrscheinlich wieder eine versuchte Einflussnahme, bei der er unsachlich argumentiert hat. Ausdrücklich bedroht hat er mich sicher nicht, das hätte ich mir gemerkt, aber er hat den Hameseder ins Spiel gebracht und damit natürlich bezweckt, mich unter Druck zu setzen."

Von einem "gut mit der ÖVP vernetzten Bekannten" will Brandstätter gehört haben, dass jemand im "inneren Kreis der ÖVP im September 2019 gesagt hat: 'Den fahren wir nieder und seine Alte gleich dazu.'" Nachsatz im Protokoll: "Dies wurde meiner Frau bekannt."

Das Kanzleramt weist das, siehe oben, zurück. (fid, 6.4.2021)