Die wirkliche Gefahr für freie Meinungsäußerung sieht ein Richter des Obersten Gerichtshofs in der Moderationsmacht von Plattformen.

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Der Oberste Gerichtshof der USA hat ein früheres Urteil aufgehoben, in dem festgestellt wurde, dass Ex-Präsident Donald Trump den ersten Verfassungszusatz verletzte, indem er seine Kritiker auf Twitter blockierte. Stattdessen gab einer der Richter zu bedenken, dass das eigentliche Problem die Moderation der Plattformen sei. "Wenn das Ziel ist, die freie Rede sicherzustellen, dann müssen die Plattformen selbst betrachtet werden", schreibt Richter Clarence Thomas in einem Statement.

Ursprünglich wurde Trumps Vorgehen als verfassungswidrig betrachtet, da er Twitter für die Durchführung offizieller Amtsgeschäfte und zur Interaktion mit der Öffentlichkeit nutzte. Die Entscheidung, Nutzer zu Sperren, soll deshalb gegen den ersten Verfassungszusatz verstoßen haben, so die ursprüngliche Schlussfolgerung. Von Twitter ist Trump inzwischen auf Lebenszeit gesperrt, auch US-Präsident ist er nicht mehr.

Machtvolle Plattformen

Im Rahmen einer zwölfseitigen Stellungnahme kritisiert Thomas nun die "konzentrierte Kontrolle" digitaler Plattformen und argumentiert, dass sie zu viel Macht besitzen und ausüben würden, berichtet "Techcrunch". "Ähnlich wie bei einem Kommunikationsdienstleister gibt diese Konzentration einigen digitalen Plattformen enorme Kontrolle über die freie Rede", gibt er zu bedenken.

Thomas vertritt zudem den Standpunkt, dass digitalen Plattformen mit dem Abschnitt 230 des Communications Decency Act zu viel Schutz gewährt werde. Dieser müsste laut ihm "zurückgeschraubt" und viel enger ausgelegt werden. Das Gesetz gewährt den Plattformbetreibern derzeit in der Regel Immunität bezüglich der Inhalte Dritter.

Kritik an Moderation

Andere Richter des Obersten Gerichtshofs schlossen sich der Argumentation nicht an. Thomas‘ Interesse am Vorgehen der Moderation von Tech-Konzernen zeigt jedoch, dass das Thema noch immer aktuell ist: "Wir werden bald keine andere Wahl haben, als uns damit auseinanderzusetzen, wie unsere rechtlichen Doktrinen auf hochkonzentrierte, in Privatbesitz befindliche Informationsstrukturen wie digitale Plattformen anzuwenden sind." (mick, 6.4.2021)