Restaurants und Lokale sind geschlossen, Urlaube gestrichen. Die Menschen unterliegen Kontaktbeschränkungen, arbeiten digital vermittelt von zu Hause aus und dürfen aufgrund von Ansteckungsgefahr und Lockdowns unter Umständen auch sehr nahestehende Personen nicht mehr sehen.

Die Pandemie hat schmerzhafte Veränderungen gebracht, die uns in den wichtigsten Bereichen des Menschseins berühren – in der Art, wie wir Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und führen, wie wir uns in einem Netzwerk aus sozialen Kontakten einbetten, in der Art, wie wir Zuneigung und Liebe geben und nehmen.

Die Corona-Pandemie hat auch das Liebesleben gehörig durcheinander gebracht. Soziologen haben die Auswirkungen auf Beziehungen untersucht.
Illustration: Fatih Aydoğdu

Zweifellos bringt das auch für Paarbeziehungen besondere Herausforderungen. Sofort haben sich geeignete Stereotype dafür herausgebildet: Man hatte Paare vor Augen, die getrennt voneinander vereinsamen, andere, die die Welt Welt sein lassen und den gemeinsamen Lockdown genießen, und wieder andere, bei denen ein Zuviel an gemeinsamer Zeit – vielleicht noch samt Homeoffice- und Homeschooling-Belastung – zu Zwietracht führt und das Gefühl des Eingesperrtseins verstärkt.

Veränderungen im Beziehungsleben

Auch in der Wissenschaft stellte man sich schon in den ersten Pandemietagen die Frage, wie die neue Situation Paarbeziehungen beeinflussen könnte. Marcel Zentner, Professor im Fachbereich Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck, hat mit seinen Kolleginnen etwa bereits zur ersten Corona-Welle im April 2020 eine Studie aufgesetzt, um Menschen weltweit nach pandemiebezogenen Veränderungen in ihrem Beziehungsleben zu befragen.

Damals wurden Personen per Online-Fragebogen auf verschiedenen Kommunikationskanälen angesprochen. Von über 3.000 Personen aus 60 Ländern weltweit kamen Rückmeldungen. Zwei weitere Erhebungen fanden danach jeweils im Abstand von zehn Tagen statt.

Ein vierter Messzeitpunkt folgte im November – ursprünglich war der Termin als Nacherhebung gedacht, er fiel aber in vielen Ländern mit einem erneuten Lockdown zusammen. Derzeit arbeiten die Forschenden an einem weiteren Update in der Befragungsserie. Vorläufige Ergebnisse wurden nun aber bereits veröffentlicht.

In der Analyse der Auswirkungen der Pandemie auf Paare stellten die Forscher große Unterschiede zwischen zusammenlebenden Paaren und jenen, die getrennt leben, fest.
Foto: Imago/Jesus Merida

Zufriedenheit

Wie steht es demnach um die Liebe in Zeiten der Pandemie? Wie zu erwarten war, waren große Unterschiede zwischen zusammenlebenden und nichtzusammenlebenden Paaren zu erkennen, betont Julia Vigl, die als Dissertantin im Fachbereich Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Studie mitgearbeitet hat.

"Bei getrennt lebenden Paaren sehen wir ein klares Muster: Die Beziehungszufriedenheit sank im Zuge des ersten Lockdowns, näherte sich aber bis vor der zweiten Phase der Kontaktbeschränkung im November wieder an das ursprüngliche Niveau an. Noch stärker war dieser Einbruch bei der ebenfalls abgefragten sexuellen Zufriedenheit ausgeprägt."

Überraschender war dagegen der generelle Trend bei jenen Paaren, die in einem Haushalt wohnen – oder besser gesagt: die Abwesenheit eines Trends in dieser Gruppe. Hier entstand kein klares Muster. "Jene Paare, bei denen die Beziehungszufriedenheit im Lauf der Krise stieg, und jene, bei denen sie sank, scheinen sich insgesamt die Waage zu halten", sagt Vigl. Das betrifft auch den Sex, der – trotz der vielen Zeit zu Hause – kaum häufiger stattfand.

Alte Konflikte

Diese Ausgeglichenheit illustrieren auch die Zitate im offenen Teil der Befragung: "Durch die vermehrte Zeit zu zweit wurden alte Konflikte permanent ausgegraben" als Ausdruck der Beziehungskrise kommt hier genauso vor wie ein positives "Wir hatten Zeit, uns besser kennenzulernen und uns mit einigen Schwachpunkten in der Beziehung auseinanderzusetzen". Hier wird immer wieder betont, wie wichtig Zeit für einen selbst ist, aber auch, dass es gutgetan hat, sich gegenseitig zuhören zu müssen, fasst Vigl zusammen.

Im Detail betrachtet zeigt sich, dass die Krise – ähnlich wie in vielen anderen Bereichen – als eine Art Katalysator wirkte, der bestehende Entwicklungen beschleunigt. "Der wichtigste Einflussgeber für eine Beziehungskrise in Corona-Zeiten war die Beziehungszufriedenheit vor der Krise", sagt Vigl. "War diese schon davor positiv, blieb sie in der Regel unverändert oder wurde sogar besser. Kriselte es, wurde auch dieser Trend in der Pandemie stärker."

Positive Einflussfaktoren

Daneben waren häufige gemeinsame Aktivitäten, die Eigenschaften eines angstfreien, wenig konfliktscheuen, "sicheren" Beziehungstyps oder die Möglichkeit, auch außerhalb der Wohnung Zeit zu verbringen, positive Einflussfaktoren für den Beziehungsverlauf. Häufige Auseinandersetzungen, Pandemiesorgen, berufliche Unsicherheiten oder Eigenschaften wie Depressivität, Ängstlichkeit oder Stress wurden dagegen zur Belastung.

Gerade bei zusammenlebenden Paaren wirken sich Konflikte sehr viel stärker auf die Beziehungszufriedenheit aus. Während es sich bei ihnen positiv auswirkt, Zeit für sich selbst zu haben, hat genau dieser Luxus bei getrennt lebenden Paaren negative Folgen für die Zufriedenheit.

Auch die Aufteilung von Haushalt und Kinderbetreuung war Thema der Studie. Für Vigl lässt sich eine klassische Aufteilung der Tätigkeiten bei den Befragten herauslesen: Putzen und Kochen übernehmen eher Frauen, Reparaturen und Administratives eher Männer.

Unter den Befragten – im Durchschnitt 32 Jahre alt und sehr gut gebildet – zeigte sich vor der Pandemie bei Frauen ein geringerer Zufriedenheitswert als bei Männern bei der Haushaltsaufteilung. Überraschend ist aber, dass während der Pandemie kein signifikanter Trend – man würde vielleicht eine weitere Abwärtsbewegung erwarten – dazukommt.

Ländervergleich

Ein großer Teil der Befragten der Online-Studie stammt aus dem angloamerikanischen Raum und aus Italien. Gleich zu Beginn haben sich Vigl und Kollegen deshalb auch Länderunterschiede angesehen.

"Gerade in Großbritannien, das sehr schnell sehr stark von der Pandemie betroffen waren, war die Unzufriedenheit stärker ausgeprägt. Hier ging es den Paaren tatsächlich etwas schlechter", erklärt die Forscherin. "Es hat sich auch gezeigt, dass sie die Krise selbst – etwa Angst vor Erkrankungen, Sorgen um den Jobverlust oder Stress mit der Kinderbetreuung – auch auf die Beziehung durchschlägt." (Alois Pumhösel, 8.4.2021)