Sanft schlingernde und menschenfreundliche Popmusik aus Kabul, das Frauentrio Burka Band.

Foto: Anna Huix

Musik ist lebensgefährlich. Zumindest kann sie es sein. Wenn man nicht gerade sein eigenes feines inneres Ohr in den Mittelpunkt der existenziellen Betrachtung stellt und ein wenig mit den verschiedenen Kulturkreisen vernünftelt, hat es sich in bestimmten Weltgegenden schnell einmal ausgesungen.

Weltlicher Gesang ist verboten. Das könnte Spaß machen. Das Leben könnte Spaß machen. Religion, sittlicher Anstand, Männer und ihr frauenverachtendes, zu den berüchtigten "Familiendramen" führendes Regime, die Angst vor der Zeit nach dem Mittelalter: Davon können speziell die Frauen ein Lied singen.

Wie die in jeder Hinsicht einzigartige Erscheinung der Burka Band aus Afghanistan selbstbestimmt unter Beweis stellt, geht es allerdings doch auch anders. Zumindest im Schutz der Anonymität.

Im Rahmen eines gutgemeint guten deutschen Kulturförderprogramms versuchten schon vor gut 20 Jahren Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke gemeinsam mit Schlagzeugerin Saskia von Klitzing die frohe Botschaft des Rock und Roll nach Kabul zu bringen. Tonstudio, Chuck Berry und Elvis Presley statt Goethe-Institut. Die Möglichkeit der Wahl, sexy durch Lockermachen. Eins, zwei, drei, vier, gesellschaftliche Befreiung. So die Überlegung.

Fun in the church

Immerhin hatte das Land ja schon Jahrzehnte vor den Taliban einiges an befreiter Gesellschaft zu bieten. Man erinnere sich nur an all die Kohorten europäischer Junkies, die in den 1970er-Jahren Richtung Afghanistan als gelobtes Land aufbrachen, oder wie dort pipifein in schicken Nachtclubs getanzt wurde. Sieht man alte Dokumentaraufnahmen aus dieser untergegangenen Zeit, möchte man weinen.

Die besagten, von wichtigen deutschen Gründerväterbands der 1980er-Jahre wie Fehlfarben oder Der Plan bekannten Musiker und Musikerinnen Fenstermacher, Dahlke und von Klitzing installierten jedenfalls Jahre später um 2002 in Kabul ein Tonstudio. Männer kamen, um Studiotechnik zu lernen oder sich an Saiteninstrumenten zu verwirklichen. Singen war im Wesentlichen auch wieder erlaubt. Zumindest für Männer.

Sanft schlingernd

Es meldete sich allerdings nur eine einzige Person zum Grundkurs Schlagzeug. Eine Frau. Die spontan aufgenommenen, so rudimentär wie gelassen und so verschleppt wie eine Horde eingekiffter Pink-Floyd-Fans klingenden Trommelaufnahmen der aus verständlichen Gründen anonym bleibenden "Nargis" wurden damals ergänzt von verhallter Zupfgitarre, waberndem Synthesizer und in rudimentärem Englisch gehaltenem Sprechgesang der eigentlich für die deutschen Musiker und Musikerinnen verpflichteten Dolmetscherin.

"Oh it’s true, the burka still is blue / because I care for you / you can only see my shoe", singt "Nargis" auch heute noch, längst im Exil lebend und 20 Jahre nach den nur zwei existierenden Songs Burka Blue und No Burka!. Jetzt legt die Burka Band zum Abschluss dieser sanften, ein wenig schlingernden, aber im stillen Protest rockenden und rollenden wie charmanten Trilogie mit dem Song I Care for You nach. Spät, aber doch. Das Leben in der Welt nicht nur der Burka Band ist für eine Frau immer noch lebensgefährlich: "First I took off my burka / but only to wear a mask." Nehmen lassen dürfen wir uns die Freude am Rocken und Rollen dennoch nich. (Christian Schachinger, 7.4.2021)