Zu den Widersprüchlichkeiten der Pandemie gehört, dass sie zwar für eine gewisse Entschleunigung gesorgt hat – vielen Menschen blieb dank Homeoffice und Kurzarbeit mehr Zeit, um über die Welt nachzudenken. Zugleich vollzogen sich aber manche Veränderungen so schnell, dass kaum Ruhe blieb, die Ereignisse zu verarbeiten. Allein in Österreich war die Abfolge von Lockdowns und Öffnungen, immer neuen Hilfsprogrammen und Verordnungen verblüffend.

Robert Misik, "Die neue (Ab)normalität. Unser verrücktes Leben in der pandemischen Gesellschaft". € 15,70 / 160 Seiten. Picus-Verlag, Wien 2020
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Der Publizist Robert Misik bietet in seinem neuen Buch Die neue (Ab)normalität Hilfe beim Einordnen der Ereignisse. Misik versucht gekonnt eine Tour d’Horizon durch die Pandemie, und der Untertitel des Buches, Unser verrücktes Leben in der pandemischen Gesellschaft, ist treffend gewählt. Er beleuchtet ebenso, was die Einsamkeit in den Lockdowns mit uns macht, analysiert, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt und Solidarität in einer Epidemie aussehen können, und zeigt, welche sozialen und ökonomischen Veränderungen auf uns zukommen könnten.

Er macht deutlich, dass beides möglich ist: Corona ernst nehmen und die Maßnahmen, genauer gesagt die Art und Weise, wie sie in Österreich umgesetzt wurden, dennoch kritisieren. So legt er dar, dass im Fall ungebremster Infektionen in Österreich wohl 30.000 Menschen gestorben wären. Zugleich kritisiert er, dass die Regierung ihre Strategie oft von oben herab mit einer Mischung aus paternalistischer und autoritärer Bevormundung kommuniziert habe.

Zu den spannendsten Kapiteln zählt das letzte ("Lasst die Party beginnen"), in dem der in der Sozialdemokratie verwurzelte Autor eine hoffnungsvolle Botschaft parat hat. Was, wenn die Ereignisse der vergangenen Monate neue Energien entfesseln und in eine neue Phase politischer Partizipation und künstlerischer Kreativität münden? "Die Pandemie hat uns aus unseren Routinen gerissen", schreibt Misik. "Ausgehungert und voller Lebensappetit hocken wir im Hausarrest. Wenn die Krise überwunden ist, werden die Städte pulsieren und vibrieren." (András Szigetvari, 6.4.2021)