Eines sei klar: Wir befinden uns in einer dritten Welle. Das sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am 19. März. Damals standen die ersten Beratungen mit den Expertinnen und Experten sowie den Oppositionsparteien und Landeshauptleuten noch bevor. Seit vergangenem Donnerstag befindet sich Ostösterreich nun in einer Osterruhe.


Laut Virologin Dorothee von Laer haben wir die dritte Welle nahezu im Griff. Hinsichtlich der vierten Welle im Herbst gelte es aber zwingend Maßnahmen zu treffen.
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Die Zahl der Neuinfektionen war über das Wochenende leicht rückläufig. Von Montag auf Dienstag meldete das Gesundheitsministerium 1.935 Neuinfektionen. Noch spiegelt sich die Osterruhe aber nicht in der Bettenbelegung auf den Intensivstationen wider: Neben Wien meldete auch Niederösterreich einen Höchststand auf den Intensivstationen. Anschober hielt am Wochenende eine Trendwende hin zu deutlich sinkenden Infektionszahlen innerhalb von zehn Tagen deshalb für "unbedingt" notwendig. Doch kann das funktionieren?

Ernsthafter Lockdown

Auch im Nachbarland Deutschland steigen die Neuinfektionen kontinuierlich. Allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau als in Österreich. Deutschland verzeichnet aktuell eine Sieben-Tage-Inzidenz von 128, in Österreich liegt sie bei rund 230. Trotzdem fordert der deutsche Virologe Christian Drosten schon jetzt einen "ernsthaften Lockdown" – als einzige Möglichkeit, die dritte Welle irgendwie "noch zu brechen", wie er in einem Gastbeitrag in der Bild am Sonntag erklärt. Die Situation sei leider "sehr ernst und sehr kompliziert".

Dass ein Teil-Lockdown gegen "diese aggressivere Variante mit abgestuftem Maßnahmenkatalog nicht durchgreift", habe man seiner Meinung nach in Paris und London gesehen. Politisches Handeln und auch die Unterstützung möglichst vieler Menschen seien gefordert.

Unterstützung wankt

Gerade die Unterstützung aus der Bevölkerung gerate aber ins Wanken, wenn die aktuelle Osterruhe in Österreich nachweislich nicht zum gewünschten Ergebnis führt, nämlich einem Stagnieren oder Rückgang der Neuinfektionen, sagt Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien. Das, so Hutter, sei die Gretchenfrage. Bisher hätten die Ostermaßnahmen aber noch kaum Zeit gehabt, ihre Wirkung unter Beweis zu stellen. Aus seiner Sicht sei eine Evaluierung am 11. April deshalb ohnehin viel zu kurz angesetzt gewesen. Die Verlängerung der Maßnahmen bis 18. April wurde am Dienstag bereits bestätigt.

Ob wir den Peak bei den Spitalsbetten oder den Intensivbetten damit erreicht haben, sei aktuell schwer einzuschätzen. Die Frage lautete nun: Bringt der momentane Lockdown die gewünschten Erfolge, die wir brauchen, um die Intensivbetten zu entlasten?

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna hält eine baldige Trendumkehr im Osten für unrealistisch. "Die Situation wird bis Ende April angespannt bleiben." Aufgrund der britischen Variante brauche es nun strengere Maßnahmen als noch im Herbst. "Wir gehen aber davon aus, dass wir die Kontrolle über die Pandemie Schritt für Schritt zurückerlangen können", sagt Klimek.

Niedrig-Inzidenz-Strategie sinnvoll

Obwohl die Inzidenz österreichweit insgesamt sehr hoch ist, sei die Situation in den Bundesländern sehr unterschiedlich. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland kam es im Februar und März aufgrund der Ausbreitung der britischen Variante zu einem stetigen Wachstum. In den anderen Bundesländern brauche es derzeit jedoch keinen Lockdown, um die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern.

Aber auch wenn die Intensivstationen in den anderen Bundesländern nicht akut gefährdet sind, hält Klimek eine Niedrig-Inzidenz-Strategie für sinnvoll: "Wir ziehen erst die Notbremse, wenn die Intensivstationen überlastet sind." So müsse etwa die Schwelle für regionalisierte Maßnahmen – wie eine Ausreisetestpflicht – niedriger angesetzt werden. Derzeit werden Maßnahmen für Hochinzidenzgebiete erst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 400 erlassen. "Wenn wir nachhaltig aufsperren wollen, dann müssen wir Richtung Sommer Inzidenzwerte von 25 bis 50 anpeilen", sagt Klimek.

Masken in Innenräumen

Auch die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck richtet ihren Blick bereits auf den Sommer. "Diese Welle ist zwar noch nicht gebrochen, aber wir sind dabei, sie zu brechen", sagt sie. "Ich gehe davon aus, dass wir die Lage dann durch Masken in Innenräumen sowie vermehrte Tests in Schulen und im Job ganz gut im Griff haben werden." Allerdings spricht sich von Laer klar gegen verfrühte Lockerungen aus. Über die könne man erst sprechen, wenn die Inzidenzen deutlich unter 100 gefallen sind.

Das könnte aufgrund der Impfung und des saisonalen Effekts durchaus schon ab Mai der Fall sein – unter der Vor aussetzung von Zugangstests. Es sei aber notwendig, mit einem niedrigen Niveau in den Sommer und Herbst zu gehen. Bis dahin müsse laut von Laer auch ein Impfschutz gegen die Varianten vorhanden sein sowie rasche Testungen bei Bedarf. Vor allem hinsichtlich einer vierten Welle sei der Expertin zufolge eine langfristige Planung maßgeblich. (Eja Kapeller, Julia Palmai, 6.4.2021)