Die OMV ist stark mit sich selbst beschäftigt, wieder einmal. Zwischen Vorstandsetage und Aufsichtsrat herrscht dicke Luft.

Foto: imago

Mark Garrett jettet dieser Tage nach Abu Dhabi. Der gebürtige Australier, der im Herbst 2019 auf einem Ticket des Mehrheitsgesellschafters Öbag (31,5 Prozent) in den Aufsichtsrat der OMV gekommen ist und dort gleich den Vorsitz übernommen hat, macht das mehrmals im Jahr. Das ist nicht ungewöhnlich. Schließlich sitzt in den Emiraten der zweitgrößte Aktionär der OMV, Mubadala.

Mit jemandem, der fast ein Viertel der Aktien besitzt, muss man im Gespräch bleiben wie mit anderen Großaktionären auch – in Corona-Zeiten besonders. Dennoch erscheint der Trip von Garrett in die Emirate, wiewohl schon länger geplant, nun in einem besonderen Licht. Verantwortlich dafür ist Rainer Seele.

Der OMV-Chef ist ebenfalls häufig in Abu Dhabi, auch das nicht ungewöhnlich. Die OMV hat große wirtschaftliche Interessen dort. Ungewöhnlich ist, dass Seele, der Österreichs größten Industriekonzern seit Sommer 2015 leitet, wenige Tage vor Garrett in Abu Dhabi war.

Dort soll er sich, wie zu hören ist, bei den von Mubadala gestellten Aufsichtsräten um eine Vertragsverlängerung in eigener Sache starkgemacht haben. Sein Aufsichtsratsboss Garrett dürfte von einer Vertragsverlängerung Seeles über Juni 2022 hinaus hingegen nichts halten.

Duldet keinen Widerspruch: OMV-Chef Rainer Seele.
Foto: apa/fohringer

Beide, Seele wie Garrett, gelten als Alphatiere, die keinen Widerspruch dulden. Treffen zwei solche Typen aufeinander, geht das in den meisten Fällen nicht gut aus, persönlich und für das Unternehmen häufig auch nicht.

Mit Garretts Vorgänger an der Spitze des OMV-Kontrollgremiums hatte Seele ein vergleichsweise einfaches Spiel. Der ehemalige Procter-&-Gamble-Manager Wolfgang Berndt, der auch als ÖVP-Spender in Erscheinung getreten ist, war mit Seele befreundet. Nicht von ungefähr machte in Berndts Aufsichtszeit das Wort die Runde, er, Berndt, sei weniger Kontrollor als Erfüllungsgehilfe des Vorstands.

Kontrolliert als Aufsichtsratschef die Tätigkeit von Seele: Mark Garrett.
Foto: ho

Mit Berndts Vorgänger an der Aufsichtsratsspitze, Ex-Siemens-Manager Peter Löscher, sind ebenfalls Schreiduelle überliefert, wie nun dem Vernehmen nach mit Garrett. Garrett, Löscher, Seele, aber auch dessen Vorgänger an der OMV-Spitze, Gerhard Roiss: alles Alphatiere, stark von sich eingenommen, Kontrollfreaks.

Seele, der von der deutschen Wintershall zur OMV gekommen ist, hält sich zugute, die aufgrund von Fehlentscheidungen seiner Vorgänger, wie der teuren Ölförderung in der Nordsee, in Schieflage geratene OMV wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht zu haben. Auch die Verlängerung der Wertschöpfungskette – Stichwort Mehrheitskauf von Borealis und Ausbau des Kunststoffanteils – verbucht er für sich. Gerade der Borealis-Deal hat aber Kritiker auf den Plan gerufen. Der Preis von 4,2 Milliarden Euro, die die OMV für die Aufstockung ihres Borealis-Anteils von 36 auf 75 Prozent an die Abus gezahlt hat, sei unnötig teuer gewesen, heißt es. Mubadala, in der die frühere International Petroleum Investment Company (Ipic) aus Abu Dhabi aufgegangen ist, hält noch 25 Prozent an Borealis. Kein Geringerer als Garrett war gut elf Jahre Vorstandschef des Kunststoffkonzerns. 2018 verabschiedete sich Garrett aus Wien und wechselte nach Hamburg zu Marquard & Bahls, einem Energielogistiker mit 14 Milliarden Umsatz und 6.700 Mitarbeitern.

Man darf unterstellen, dass Garrett in Sachen Borealis nach wie vor sattelfest ist. Seele hat dort Thomas Gangl als Nachfolger von Alfred Stern installiert, der statt Gangl in den OMV-Vorstand aufgerückt ist. Gangl hat zumindest finanziell keinen Nachteil in Kauf nehmen müssen. Dem Vernehmen nach sind ihm für vier plus drei Jahre an der Borealis-Spitze 20 Millionen Euro zugesichert worden, deutlich mehr als Stern zuvor verdient hat.

Gangl soll dem Aufsichtsrat vor dem Kauf Informationen vorenthalten haben, dass Borealis wegen der Konjunkturverschlechterung durch Corona weniger verdient, was dieser bestreitet. Bei der OMV-Hauptversammlung im Juni könnten eventuell geschädigte Aktionäre Haftungsansprüche im Zusammenhang mit dem Borealis-Deal geltend machen. Das könnte für zusätzlich dicke Luft sorgen. (Günther Strobl, 7.4.2021)